Pepes Wischmopp – Öffentliche Konsultationen – Diskriminierung – EU Bürgerbeauftragter

Die Aktion der IG-ED, förmliche(!) Beschwerde bei der Europäischen Bürgerbeauftragten wegen der sprachlichen Einschränkung der öffentlichen Konsultation über die Verbrauchssteuern auf Tabakwaren einzulegen [1], wurde in der Szene überwiegend positiv aufgenommen.

Wenn Kritik geäußert wurde, dann lagen dieser einige Verständnisprobleme bzw. echte Wissensdefizite zugrunde, weshalb ich – damit diese nicht wie ein Haufen Sch**** auf der Straße liegen bleiben und stinken – einige Dinge richtigstellen muss.

 

Zunächst einmal zum Instrument der öffentlichen Konsultation auf EU-Ebene:

Auch wenn man das Gefühl hat (und einen das Gefühl oft nicht trügt), die „Bestimmer“ der EU würden machen, was sie wollen, gibt es dennoch Bestrebungen, die politische Arbeit der EU transparenter zu machen und die Bürger etwas besser einzubinden. Es gibt eine Agenda für bessere Rechtssetzung [2], in der die Einführung bzw. Ausweitung von Beteiligungsmöglichkeiten bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften festgeschrieben ist. Eines dieser Instrumente ist die öffentliche Konsultation zu bestimmten Rechtssetzungsvorhaben [3] [4] [5] [6]. Die Bürger der EU werden hier zu bestimmten Themen befragt… das ist ein Instrument der politischen Willensbildung. Sicher bedeutet das nicht, dass das Ergebnis einer solchen Konsultation nun direkten Einfluss auf die Rechtssetzung hat, es erfüllt aber den Zweck, Folgenabschätzungen auf breiter Basis in den Entscheidungsprozess einzubinden. Dieses Instrument ist also nicht überflüssig oder ein reines „Abchecken“ des Stimmungsbildes. Und es ist sinnvoll, sich an solchen Konsultationen zu beteiligen, wenn man ein Interesse oder Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet hat. Wenn die EU uns Bürgern die Möglichkeit einer indirekten Beteiligung gibt, oder uns zumindest nach unserer Meinung fragt, dann sollten wir das wahrnehmen, selbst, wenn wir im konkreten Einzelfall vielleicht nicht erwarten, dass unsere Meinung einen echten Einfluss hat. Zumindest hat man seine Meinung und seinen Willen zur Beteiligung zum Ausdruck gebracht. Basis dieses und anderer Instrumente ist der Art. 11 EU-Vertrag. Da ist die Verpflichtung zur Transparenz und zum Dialog mit repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft verbindlich festgeschrieben.

Dieses Instrument zu verunglimpfen zeugt von einem ausgesprochen verschobenen Demokrativerständnis… wer das für Mist hält, sollte vielleicht in eine echte Diktatur auswandern. Allerdings kann es sein, dass er dort dann auch nicht mehr die Möglichkeit hat, seine wirren Gedanken unters Volk zu bringen.

 

Jetzt zum Diskriminierungsverbot:

Es stimmt… in der Europäischen Menschenrechtskonvention steht was zum Diskriminierungsverbot [7]. Wenn man nun nach dem Thema Diskriminierungsverbot sucht, weil man sich mit dem Themenfeld nicht auskennt und nur die ersten paar Suchergebnisse z. B. vom Gockel anschaut, dann landet man bei der EMRK. Allerdings stellt man rasch fest, dass diese Vorschrift (Art. 14) nicht wirklich passt, weil es in diesem Werk generell um die Menschenrechte geht. Es gibt aber kein „Menscherecht auf Teilnahme an einer öffentlichen Konsultation“. Jetzt sofort zu schreien: „Die sind ja so doof, die haben keine Ahnung, das passt gar nicht„, zeugt dann aber eher von mangelnder Kompetenz oder der Unfähigkeit zur Recherche… vielleicht auch von mangelhafter Beratung in rechtlichen Fragen… mindestens eins davon passt.

Es gibt nämlich noch andere Vorschriften auf EU-Ebene, die ein (teilweise spezielles) Diskriminierungsverbot festlegen… und das dann nicht in Hinsicht auf die Menschenrechte. Und da gibt es z. B. auch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) [8]. Der regelt die Umsetzung der im EU-Vertrag festgelegten Bestimmungen. Und im Art. 18 AEUV [9] ist das Diskriminierungsverbot verankert, auf welches man sich, wenn es nicht um Grund- und Menschenrechtsangelegenheiten geht, berufen kann… wenn man sich z. B. beim EU Bürgerbeauftragten beschweren möchte.

 

Und schon sind wir bei näxten Thema! Der Bürgerbeauftragte der EU (was derzeit eine „Die“ ist). An diesen kann man sich wenden, wenn man Beschwerden z. B. über Verwaltungshandeln (z. B. auch eine öffentliche Konsultation) der EU hat [10]. Der Bürgerbeauftragte kann, wenn er der Meinung ist, die Beschwerde erfolgte zurecht, selbst keine Maßnahmen zum Abstellen des Missstands treffen, sondern er tritt als Vermittler auf. Voraussetzung dafür ist, dass der Beschwerdeführer die entsprechende Stelle zunächst von sich aus aufgefordet hat, den Missstand zu beseitigen. Der Bürgerbeauftragte (also i. d. R. jemand aus seinem Stab) wendet sich dann an die Stelle und versucht zu vermitteln. Ist er damit erfolglos, gibt er eine entsprechende Empfehlung ab. Wird dieser nicht Folge geleistet, so kann er dem Europäischen Parlament eine Sondervorlage zukommen lassen, mit der sich dann das Parlament befassen muss. Die Verfahrensweise und Abläufe sind da fest definiert und der Bürgerbeauftragte ist verpflichtet, den Beschwerdeführer über Maßnahmen, Fortgang und Ergebnis zu informieren und letztlich über den Ausgang zu unterrichten. Wer einmal in einer öffentlichen Verwaltung gearbeitet hat, weiß sehr wohl, dass Beschwerdeverfahren kein stumpfes Schwert sind, sondern intern auch oft für etlichen Ärger und Wirbel sorgen. Es kann also – wenn man einen Grund für eine Beschwerde hat – ausgesprochen sinnvoll sein, diesen Weg zu gehen. [11]

 

Förmlich [13] und formlos [14] schließen sich nicht aus, wollte ich mal bemerkt haben… das sollte man wissen. Förmlich (z. B. im Sinne der o. g. Beschwerde) bedeutet, dass eine Tätigkeit durch eine Vorschrift geregelt ist und die Regeln eingehalten werden müssen. Eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragte der EU ist eine förmliche, weil der Beschwerdeweg, die möglichen Beschwerdegründe und etliche Inhalte der Beschwerde festgelegt und geregelt sind.

Sie müssen in der Beschwerde angeben, wer Sie sind, über welches Organ oder welche Einrichtung Sie sich beschweren und worin Ihr Problem besteht.

Quelle: Europa EU – Europäischer Bürgerbeauftragter [12]

Eine Beschwerde dieser Art ist also förmlich. Die Beschwerde an sich kann jedoch formlos erfolgen. Das ist kein Widerspruch zu „förmlich“, sondern drückt nur aus, dass die Beschwerde an sich an keine besondere Form gebunden ist (sie muss halt die genannten Informationen enthalten, ist in der Ausgestaltung hingegen frei). In der deutschen Sprache gibt es etliche weitere Beispiele ähnlich klingender Wörter, die sich gegenseitig nicht widersprechen, obwohl es auf den ersten flüchtigen Blick so aussieht. Wer mit Sprache arbeitet (z. B. schreibt), sollte sich damit aber auskennen.

 

Abschließend kurz noch einmal zur förmlichen (aber formlosen) Beschwerde der IG-ED zur öffentlichen Konsultation. Die hat schon Hand und Fuß, denn die Beteiligung der Bürger in Form solcher Konsultationen darf niemanden Ausschießen, der einer bestimmten Sprache nicht (ausreichend oder komplett nicht) mächtig ist. Wenn jemand auf die Idee kommt, die betreffende Konsultation sei mit Absicht nur in Englisch möglich, um den „tumben Pöbel“ von einer Stellungnahme abzuhalten, scheint in einer eigenen kleinen Welt zu leben, die mit der Realität nichts zu tun hat. Der einzig denkbare Grund ist, dass „auf dumm“ versucht wurde, die Konsultation nur auf Englisch zu beschränken, weil eine Übersetzung in alle Amtssprachen der EU Kosten verursacht und auch Zeit kostet… und solange sich keiner nachdrücklich(!) beschwert, kann man damit ja durchkommen. Na ja… wer die andere Theorie öffentlich raushaut, der verfolgt damit vielleicht einen anderen Zweck, als den der Aufklärung der Öffentlichkeit.

 

So… jetzt ist wieder aufgewischt!


[1]: Beschwerde der IG-ED

[2]: PM – Agenda für bessere Rechtsetzung

[3]: Beitrag zur Rechtsetzung

[4]: EU-Politik – mitreden, mitgestalten

[5]: Online-Konsultationen in der EU

[6]: Piraten: EU-Konsultationen

[7]: Art. 14 EMRK – Diskriminierungsverbot

[8]: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

[9]: Artikel 18 AEUV – Diskriminierungsverbot

[10]: Der Europäische Bürgerbeauftragte

[11]: Europäischer Bürgerbeauftragter

[12]: Die Bürgerbeauftragte und Sie

[13]: Duden „förmlich“ -> „durch Vorschrift angeordnet; offiziell, formell“

[14]: Duden „formlos“ -> „keine vorgeschriebene Form aufweisend“

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