Grenouille aber roch alles wie zum ersten Mal. Und er roch nicht nur die Gesamtheit dieses Duftgemenges, sondern er spaltete es analytisch auf in seine kleinsten und entferntesten Teile und Teilchen.
[Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders]
Was will DER denn jetzt schon wieder von uns? Dass seit unserem Rauchstopp der Geruchssinn wieder besser geworden ist, braucht er uns doch nicht zu erzählen!
Stop! Ich möchte keinem hier etwas über den verbesserten Geruchssinn erzählen (höchstens am Rande) und auch nicht darüber, dass unser Dampf besser riecht… und wir selbst „besser riechen“. In diesem Artikel geht es tatsächlich um Aromen aus dem Blickwinkel der Dampfer und der Selbstmischer.
Wenn das so schmeckt, wie es riecht… – Geruchs- und Geschmackssinn
Die Angelegenheit mit dem Geruch ist allerdings nicht so weit her geholt, denn wenn uns ein Liquid, ein Aroma schmeckt, dann haben wir das unserem Geruchssinn zu verdanken. Unser Geschmackssinn (Rezeptoren an der Zunge) ist nämlich tatsächlich nur in der Lagen, fünf grundlegende Geschmäcker zu unterscheiden: süß, sauer, salzig, bitter und umami[1]. Das, was wir beim Genuss eines Erdbeer-, Vanille-, Riptide- oder sonstigen Liquids als charakteristischen Geschmack wahrnehmen, ist unserem Geruchssinn geschuldet, der in der Lage ist, viel differenzierter zu unterscheiden. Die flüchtigen Aromastoffe gelangen über die Rachen-Nasen-Verbindung an die Rezeptoren der Nasenschleimhaut und sind für den „Geschmack“ verantwortlich. Der Geruchssinn ist in der Evolution einer der ältesten Sinne und war für das Überleben dringend erforderlich. Er dient unter anderem auch dazu, verdorbene von genießbaren Nahrungsmitteln zu unterscheiden. Dabei ist der „Weg“ zum Gehirn bzw. zum Registrieren des Geruchs auch ausgesprochen kurz, denn es werden dafür lediglich zwei synaptische Verbindungen benötigt (zum Vergleich: für das Verständnis von Sprache sind neun Synapsen notwendig). Außerdem wirkt der Geruchssinn stark auf unser vegetatives Nervensystem. Unangenehme Gerüche können unmittelbar zu Brechreiz führen, während angenehme Gerüche einem „das Wasser im Munde zusammen laufen lassen“ (Sekretionsreflex). Die Nasenschleimhaut weist zehn bis dreißig Millionen Riechzellen auf, an denen die Duftrezeptoren sitzen. Bislang sind ungefähr 400 unterschiedliche Typen von Duftrezeptoren bekannt. Daraus ergibt sich eine unglaublich große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten (wir können Millionen verschiedene Gerüche wahrnehmen, die meisten nur unbewusst; geübte „Duftexperten“ können allerdings bis zu 10.000 verschiedene Gerüche unterscheiden und benennen).
Fazit: Unser Schmecken ist eigentlich Riechen… und wir können viele Gerüche unterscheiden.
Liquid ordentlich „gewürzt“
Das Wort „Aroma“ stammt aus dem Griechischen (ἄρωμα) und bedeutet im Ursprünglichen Sinne „Gewürz“. Später wurde dieser Begriff auf alle Geruchs- (und damit auch Geschmacks-) Empfindungen ausgedehnt. Das eigentliche Aroma ist allerdings chemisch betrachtet ein Zusammenwirken teilweise zahlreicher Aromastoffe (das Aroma eines Apfels setzt sich aus ungefähr 300 verschiedenen Aromastoffen zusammen).
Wir bezeichnen hingegen als Aroma in der Regel eine Zubereitung von Aromen zur Verwendung in unseren Liquids (aber auch in Lebensmitteln). Diese Zubereitungen sind teilweise sehr hoch konzentriert und dürfen nur stark verdünnt genutzt werden.
Hier stoßen wir auf die erste Problematik beim Umgang mit Aromen insbesondere beim Selbstmischen bzw. „Nachwürzen“ von fertigen Liquids. Die eigentliche Konzentration der Dampfer-Aromen (DA) ist nämlich so gut wie nie bekannt. Etliche Hersteller drucken aus diesem Grund eine empfohlene Dosierung auf die DA-Fläschchen oder nennen diese gesondert (diese Informationen sollte man bei einem guten Shop erhalten können). Allerdings gilt das leider nicht für alle Hersteller / Anbieter von DA. Dann ist man auf Tipps und Erfahrungen von anderen Selbstmischern angewiesen. Hier spielt allerdings leider die eigene Vorliebe der Tippgeber eine nicht unbedeutende Rolle. Für einen groben Anhaltspunkt können solche Informationen aber doch dienen. Letztlich muss man dann doch selbst ausprobieren, wie viel Aroma für den eigenen Geschmack wirklich nötig ist. Und auch dieser Wert ist nicht in Felsen gemeißelt. Leider kommt es immer wieder vor, dass die Anbieter oder Hersteller von DA die Zusammensetzung bzw. Konzentration ihrer Produkte ändern… manchmal sogar, ohne den Endkunden darauf hinzuweisen. Außerdem verändert sich der Geschmackssinn im Laufe der Zeit. Einerseits regenerieren sich die Geruchs- und Geschmacks-Rezeptoren, die vom Qualm in arge Mitleidenschaft gezogen wurden, nach dem Rauch-Stopp nach und nach immer weiter. Damit wird das Geruchs- und Geschmacksempfinden immer weiter geschärft. Andererseits spielen auch die Vorgänge im Gehirn eine Rolle, denn unser Geruchs-Gedächtnis ist sehr ausgeprägt. Somit kann es im Laufe der Zeit vorkommen, dass wir immer weniger Aroma für ein wohlschmeckendes Erlebnis benötigen. Bei meiner Hausmarke bin ich (bei gleichbleibenden Ausgangs-Rohstoffen) im Augenblick auf dem besten Weg zu jeweils 1% Aroma pro Zutat. Vor einem Jahr lag das noch bei 3%. Das muss nicht jedem so gehen, man sollte es aber im Hinterkopf behalten und beim aromatisieren ggf. beachten.
Ein weiterer Pferdefuß ist, dass verschiedene DA unterschiedlicher Hersteller zwar mit dem gleichen Namen bezeichnet werden, sich jedoch in ihrer Zusammensetzung doch teilweise erheblich unterscheiden. Es ist leider nicht so, dass der Liebhaber von Erdbeer-Liquid jedes am Markt befindliche DA verwenden kann, um den gewünschten Genuss zu erreichen. Auch hier hilft letztlich nur das Experimentieren, wobei im übrigen sogenannten „Wanderpakete“ [2] sehr gute Dienste leisten können. Denn wenn man sich ein Aroma gekauft hat, das nicht hält, was es verspricht, besteht die Möglichkeit, dass es einem anderen Dampfer wiederum gut schmeckt. Über diese Wanderpakete entstehen Austausch-Zirkel, die es erleichtern „seinen“ Geschmack zu finden und dabei wirklich Geld zu sparen.
Aromastoffe – die Basis der Aromen
Aromastoffe sind chemische Stoffe mit Aroma-Eigenschaften. In der Natur konnten bisher ungefähr 10.000 verschiedene Stoffe identifiziert werden. In der Lebensmittelindustrie werden davon ca. 2.500 Stoffe eingesetzt (und damit stünden diese auch für unsere DA zur Verfügung).
Es gibt darunter einige sogenannte „große Stoffe“, die für eine Vielzahl von Geschmacksrichtungen verantwortlich zeichnen. Dazu gehören u. a. Benzaldehyd für den typischen Bittermandel-Geschmack, Menthol für Pfefferminzgeschmack und Citral für den typischen Geschmack von Zitrusfrüchten.
Man unterscheidet natürliche und synthetische Aromastoffe. Zur Gewinnung natürlicher Aromastoffe müssen diese aus dem entsprechenden Naturprodukt heraus geholt werden. Dies geschieht mittels Extraktion (Prinzip des Filterkaffees) oder Destillation. Um ggf. bei Mangel an ausreichend Ausgangsprodukten trotzdem an größere Mengen des Aromastoffs zu gelangen, wird auch auf biotechnologische Gewinnung gebaut. Dazu werden die Aromastoffe, die beispielsweise durch Reifungs- oder Zersetzungsprozesse entstehen mit entsprechenden Mikroorganismen oder Enzymen in größerem Rahmen aus den Ausgangsprodukten gewonnen. Auch Schimmelpilze kommen hierbei zum Einsatz, was aber kein Grund zu unnötiger Panik ist, denn es handelt sich dabei um unschädliche Verfahren (die oftmals nur den Entstehungsprozess, der ohnehin bei den Naturproduken abläuft, beschleunigt oder in größerem Maßstab nachbilden).
Bei den synthetischen Aromastoffen unterscheidet man naturidentische und künstliche Aromastoffe, die aber beide durch chemische Prozesse künstlich hergestellt werden. Die naturidentischen Aromastoffe haben die gleiche chemische Formel, wie ihre natürlichen Pendants. Die künstlichen Aromastoffe hingegen versuchen das typische Aroma durch ähnliche Stoffe nachzubilden. Offiziell wird diese Unterscheidung – dank der (lobbygesteuerten!?!) Reguliererei der EU – seit 2011 nicht mehr getroffen. Alles ist ein „Aromastoff“.
Nun komme ich einmal zu einem netten Nebenthema. Oft liest man – manchmal auch nur scherzhaft – in Diskussionen um Erdbeeraromen die Frage, ob man denn Sägemehl in sein Liquid rühren würde. Das resultiert aus einem Gerücht, dass vor längerer Zeit einmal durch die Presse in die Welt (oder eher als Selbstläufer in Schwung) gesetzt wurde, seit dem kursiert und auch gerne immer wieder einmal aufgegriffen wird (wir Dampfer kennen diese Art der Propaganda durch die Medien in Verbindung mit C&P-Journalismus ja leider zur genüge). Wenn man sich informiert, erfährt man schnell, wie dieses Gerücht gemacht(!) wurde. Erdbeeraroma, wie es in der Lebensmittelherstellung genutzt wird, ist ein komplexes Gemisch verschiedener Aromastoffe. Dazu gehört unter anderem Vanillin. Und dieses fällt als Abfallprodukt z. B. in der Papierherstellung an. Dort wird es nämlich dem Rohstoff (der meist aus Sägespänen besteht) entzogen, weil es ansonsten dafür sorgen würde, dass das Papier sehr schnell vergilbt. Anstatt es nun zu entsorgen, wird es als Rohstoff – auch in der Aromaherstellung – genutzt. Aber ein Artikel, der quasi die Behauptung aufstellt, im Erdbeer-Joghurt seinen Sägespäne… das reißt natürlich mehr Leute vom Hocker. Na ja, wie kennen diese Art der Journalismus ja wie gesagt leider selbst…
Aromastoffe und Aromen (also Gemische von Aromastoffen, um einen bestimmten Geschmack bzw. Geruch zu erzeugen) erwirbt man nicht „pur“. In der Lebensmittelherstellung werden sie mit Trägersubstanzen oder Lösungsmitteln vermischt. Unsere DA kommen in gelöster Form daher. Vorzugsweise in Wasser, Propylenglycol (PG) oder Ethanol (Alkohol) gelöst. Aromen auf Öl-Basis sind definitiv nicht für unsere Zwecke geeignet. Ebenso keine Aromen, die in Trägersubstanzen wie Stärke oder Milchzucker gemischt sind.
Nicht alles ist geeignet…
Wo ich nun schon beim Thema „ungeeignete“ Aromen bin, ein paar Worte zu bestimmten Aroma-Bestandteilen, die ebenfalls nicht geeignet bzw. eventuell kritisch zu betrachten sind.
Hierzu zählen auf jeden Fall die Öle. Allerdings kann es ohnehin zu Schwierigkeiten kommen, ölbasierte Aromen anständig im Liquid zu lösen. Solche Aromen sind jedenfalls „Gift“ für unsere Wicklungen (Heizleiter-Wicklung), weil diese durch Öle recht schnell ihre Funktion einstellen. Außerdem können Öle zu eine Lipidpneumonie (Ölpneumonie) führen, also eine durch anhaltende Aspiration von fetten(!) Ölen ausgelöste Lungenentzündung, die im Verlauf zu einer Bindegewebsvermehrung (Fibrose) führen kann, die die Atmungsfähigkeit dauerhaft einschränkt. Die Frage ist letztlich, ob bei derart geringer Dosierung, wie wir sie bei unseren Liquids meist vornehmen, die Gefahr einer Lipidpneumonie wirklich vorliegt. Aber das ist ein Risiko, welches wir nicht eingehen sollten, weil es ja durch Verwendung von Aromen auf anderer Basis wirklich vermeiden können. Allerdings sollte man auf Lebensmittelaromen aus dem Lebensmittelhandel (Back- und Kocharomen) besser verzichten, weil diese sehr oft auf Ölbasis hergestellt sind.
Ebenfalls sollte man darauf achten, möglichst keine Aromen zu verwenden, die Diacetyl enthalten. Diacetyl ist ein Aromastoff, der für typisch „buttrigen“ Geschmack verantwortlich ist. Eine dauerhafte Aspiration kann jedoch zu Bronchiolitis obliterans (Popcornlunge / Popcorn Workers Lung) führen. Das ist eine Entzündung der Bronchiolen, welche eine Vernarbung des Lungengewebes zur Folge hat und damit zu einer dauerhaften und nicht reversiblen Einschränkung des Atemvolumens führen kann. Wie hoch die riskante Menge ist, ist schwer zu sagen. Studien von 2002 gingen von 285 – 371 ppm aus, eine neuere Studie (2006) belegt ein Risiko bereits bei 0.02 ppm. Dr. Farsalinos hat unlängst in einem Interview das Risiko der Popcornlunge durch Liquids, die Diacetyl enthalten, allerdings als ausgesprochen gering eingestuft. Nichts genaues weiß man nicht, weshalb man auf Aromen verzichten sollte, die Diacetyl enthalten, wenn man absolut auf Nummer sicher gehen will. Leider ist es bei immer noch vielen Aromen nicht ersichtlich, ob Diacetyl enthalten ist. Bei Aromen, die einen Butter-Geschmack aufweisen sollte man besonders aufmerksam sein.
Diacetin (E 1517) und Triacetin (E 1518) sind zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe, die als Aromenträger dienen. Über Auswirkungen inhalativer Aufnahme findet man nur wenige aussagekräftigen Studien. Nach diesen ist eine Schädigung nicht wahrscheinlich. Diese Aromen können aber Kunststoffe im Verdampfer angreifen bzw. zerstören, weshalb man auf diese Stoffe ebenfalls verzichten sollte, zumal sie keinen wirklichen Nutzen für unsere Zwecke bieten. Völlig zu vermeiden wird es jedoch nicht sein, weil es als gebräuchliches Lösungsmittel für Aromastoffe teilweise unerlässlich ist.
Wie bei allen Stoffen, die wir zu uns nehmen gilt ohnehin „dosis sola venenum facit“… allein die Menge macht das Gift. Wobei eine wirklich schädliche Dosierung von Aromen nicht sonderlich wahrscheinlich ist, denn eine zu hohe Konzentration an Aroma kann zunächst dazu führen, dass der erwartete Geschmack ausbleibt, bei noch höherer Konzentration wird das aromatisierte Produkt ungenießbar.
Wenn der Joghurt mit mir Spricht – Haltbarkeit
Wenn ich die Kühlschranktür öffne und der Joghurt begrüßt mich mit freundlichen Worten… oder die Wurst beginnt zu schnarchen… dann sind Joghurt bzw. Wurst verdorben! 😉
Um solche Überraschungen zu vermeiden wird auf Lebensmitteln ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) angegeben. Dies ist Lebensmitteletikettierungs-Richtlinie (RL 2000/13/EG, Artikel 9 (1)) wie folgt definiert:
Das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels ist das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen behält.
Laut EG-Aromenverordnung Nr. 1334/2008 ist auch für Lebensmittelaromen die Angabe eines MHD oder eines Verbrauchsdatums vorgeschrieben.
Wer sich nun seine Flaschen mit DA anschaut, wird ein solches MHD in der Regel auch dort finden. Man sollte sich allerdings im Klaren darüber sein, dass dieses Datum nur für ungeöffnete Gebinde gilt, die entsprechend gelagert wurden. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Rückversicherungs-Rückversicherung der Hersteller. Die erklären damit, dass ihr Produkt bei entsprechender Lagerung in ungeöffnetem Zustand bis zu diesem Datum seine Eigenschaften behält. Diese Aussage beinhaltet nicht, dass es ab diesem Datum seine Eigenschaften verliert und nicht mehr benutzt werden kann. Theoretisch wird die Haltbarkeit nach dem Öffnen des Gebindes zeitlich verkürzt. Allerdings kann das angegebene MHD bei DA auch bei geöffneten Gebinden als Richtwert herangezogen werden… wiederum eine vernünftige Aufbewahrung vorausgesetzt. Wer sein Aroma nach dem Öffnen ohne geschlossenen Deckel auf der Fensterbank in der Sonne aufbewahrt, geht selbstverständlich das Risiko ein, dass das Aroma „verdirbt“. Grundsätzlich ist das MHD bei DA allerdings noch weitaus dehnbarer, als es im allgemeinen bei Lebensmitteln ist. Sofern DA kühl und dunkel gelagert werden (auch nach dem Anbrechen… Hygiene bei der Handhabung vorausgesetzt), ist die Gefahr, dass sie „verderben“ relativ gering… auch weit(!) über das MHD hinaus. Sofern keine Verschmutzung der Flüssigkeit entsteht, könnten sich im Höchstfall die Inhaltsstoffe chemisch verändern. Das wird allerdings grundsätzlich nur in einer Art Zerfall bestehen. Für solche chemischen Reaktionen ist meist die Zufuhr von Energie erforderlich, die man mit der kühlen und dunklen Lagerung auf ein absolutes Minimum reduziert. Ich persönlich habe bisher noch keine negativen Erfahrungen mit „überlagerten“ Aromen gemacht, aber ich bewahre sie auch „vernünftig“ auf.
Um zu beurteilen, inwiefern sich Aromen auch unter diesen Bedingungen chemisch verändern könnten, muss man einen Ausflug in die Chemie vornehmen. Das führt zu einem „Problemchen“:
ACHTUNG! BETRIEBSGEHEIMNIS!
Wie bereits ausgeführt, setzen sich unsere DA aus einem Gemisch verschiedener Aromastoffe zusammen, die erst in diesem Zusammenspiel das gewünschte Aroma ergeben. Und das ist das Problem. Natürlich lässt sich kein Hersteller gerne in die Karten schauen. Vor allem, wenn er ein wirklich „gutes“ Aroma kreiert hat, liegt es natürlich in seinem Interesse, die genaue Rezeptur möglichst geheim zu halten.
Aus diesem Grund ist es allerdings nahezu unmöglich, chemische Prozesse bei Lagerung und Verwendung wirklich vorherzusagen. Man kann sich natürlich die Mühe machen, sich die einzelnen lebensmittelzugelassenen Aromastoffe einzeln vorzunehmen und diesbezüglich zu betrachten. Glaubt mir, das sind viele. SEHR VIELE! [3] Nur einmal ein paar Beispiele (das sind jetzt wirklich nur Aromastoffe… sie bringen alleine nicht den Geschmack, den man erwartet, sondern sind Bestandteile der jeweiligen Aroma-Mischungen)…
Ethyl-2,3-epoxy-3-phenylbutyrat (auch einfach als Erdbeeraldehyd oder Aldehyd C-16 bezeichnet):
Hierbei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die an den Geruch von Beeren – insbesondere Erdbeeren erinnert.
Ameisensäureethylester (Ethylmethanoat): Ein Stoff mit arrakartigem Geruch. Dienst oft zur Herstellung von Rum-Aromen.
Benzoesäureethylester (Ethylbenzoat): Ein Stoff mit ausgesprochen fruchtigem Aroma. Dient als Basis vieler Fruchtaromen.
Prenol (3-Methyl-2-buten-1-ol): Ähnlich wie Ethylbenzoat ein ausgesprochen fruchtig riechender Stoff, der ebenfalls für verschiedene Fruchtaromen verwendet werden kann.
Valeraldehyd (auch n-Pentanal): Ein weiterer Vertreter der fruchtigen Aromastoffe.
Buttersäureethylester (Ethylbutyrat): Ein Stoff mit dem charakteristischen Geruch nach Ananas.
Vanillin (4-Hydroxy-3-methoxybenzaldehyd): Bereits im Zusammenhang mit den Sägespänen erwähnter Aromastoff mit deutlichem Vanille-Geruch.
Essigsäurepentylester (Essigsäureamylester): In verschiedenen Isomeren (vereinfacht „Abwandlungen im Aufbau“) vorkommende Flüssigkeit mit Birnen- bzw. Bananenaroma.
Phenylessigsäure (2-Phenyl-ethansäure): Eine Basis für Zitronenaroma.
Aber eine Prognose chemischer Reaktionen der einzelnen Aromastoffe miteinander ist schwierig, weil die Zusammensetzung der Aromen ja eben nicht bekannt ist. Allerdings ist auch hier davon auszugehen, dass weder ein Zerfall noch Verbindungen in größerem Maße zu erwarten sind, sofern nicht Energie in irgend einer Form hinzu gefügt wird. Damit ist ein „Verfall“ ( 😉 „Verfallsdatum“ 😀 ) nicht so schnell zu erwarten.
Was zu einem weiteren kontrovers diskutierten Thema führt, dass ich mal mit…
Die Mär von der Reifung
…überschreibe. Wobei man hier natürlich differenzieren muss, was mit Reifung bei Liquids denn gemeint ist. Aber dazu etwas später. Zunächst einmal zu dem vermeintlichen Vorgang und den Auswirkungen.
Wer sich sein Liquid selbst mischt, stellt bei einigen (nicht allen) Aromen fest, dass das Liquid erst nach einer gewissen Zeit so richtig schmeckt. Ganz frisch angemischt kommt es manchmal recht fade und man ist versucht, noch einmal ein wenig nachzuwürzen (was man nicht unbedingt gleich tun sollte… lieber warten). Nach einer gewissen Zeit, die man dem Liquid nun zum „Reifen“ gönnt (auch da scheiden sich die Geister, wie lange das Liquid, das man unbedingt kosten möchte, unberührt stehen bleiben sollte), stellt man oft einige Veränderungen fest. Mit einem Mal schmeckt das „Selbstgebraute“ doch schon eher so, wie man es erwartet hat. Und oftmals ist die Färbung der Flüssigkeit intensiver bzw. dunkler geworden. Und so lag die Vermutung nahe, es würde da chemisch sehr viel passieren, während der „Reifezeit“. Aber das ist ein Trugschluss.
Warum das nichts mit Reifen zu tun hat, erkläre ich jetzt. Eine Reifung würde ja bedeuten, dass sich chemische Prozesse in nicht unerheblichen Maß im Liquid abspielen. Sofern wir es aber nicht mit hoch-reaktiven Stoffen zu tun haben, braucht es dazu Energie und eventuell sogar noch einen Katalysator. Sicher wird für den „Reifeprozess“ gerne gesagt, man solle das Liquid ruhig warm stellen. Aber weshalb diese Empfehlung Sinn macht, werde ich auch noch erläutern. Es wäre aber vermessen anzunehmen, dass die Zimmertemperatur großartige chemische Reaktionen auslösen würde. Liquids reifen einfach nicht… jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man sich das vorstellen mag. Ein Whisky reift im Eichenfass (er nimmt Aromastoffe aus dem Holz auf… nicht einmal das ist ein chemischer, sondern ein physikalischer Prozess)…
Na ja, Käse reift. Doch da sind Mikroorganismen beteiligt, die die Milch erst in Käse verwandeln und für den charakteristischen Geschmack sorgen. Es gäbe noch weitere Beispiele, die sich allerdings alle auch nicht auf unsere Liquids übertragen lassen. Was mit Sicherheit passiert ist, dass sich die Moleküle der Aromastoffe durch die Wartezeit einfach nur gleichmäßig und vollständig im Liquid verteilen. Das hat etwas mit Mischungsentropie [4] zu tun und wird durch Energiezufuhr (eben nicht kalt stellen, sondern bei Zimmertemperatur lagern) beschleunigt. Durch die Eigenbewegung der Teilchen im Gemisch kommt es zu einer irgendwann nahezu gleichmäßigen Verteilung der einzelnen Teilchen im Liquid… zu einer Zunahme der Entropie. Und weil die Aromastoffe nun so wunderbar gleichmäßig verteilt sind, entfaltet sich auch der Geschmack viel deutlicher. Einen ersten Schritt zur Verteilung des Aromas im Liquid unternimmt man ja ohnehin schon beim Mischen durch Schütteln oder Rühren. Jedenfalls ist irgendwann ein perfekter Zustand der Durchmischung erreicht und die sogenannte „Reifezeit“ um.
Nun höre ich schon:
„Ja aber… warum braucht denn das eine Aroma eine längere Reifezeit, das andere eine kürzere und ein weiteres ja praktisch gar keine? Da passiert doch trotzdem noch was anderes!“
Nun, das lässt sich allein schon durch die chemische Zusammensetzung der Aromen erklären. Unterschiedliche Stoffe benötigen einfach unterschiedliche Zeit, um den Zustand größt möglicher Entropie zu erreichen. Außerdem gibt es Aromen, die derart intensiv sind, dass sie schon bei nicht vollständiger Durchmischung ihr Aroma so stark entwickeln, dass sie sofort recht gut schmecken (allerdings werden diese oft nach längerer Wartezeit noch besser… manche eventuell sogar „überwürzt“… ein Hinweis darauf, beim nächsten Mal sparsamer zu dosieren und dem Liquid doch Zeit zum vollständigen Durchmischen zu geben).
„Aber es muss doch was passieren. Das Liquid wird doch dunkler!“
Stimmt, es passiert wirklich etwas. Allerdings weniger mit den Aromen als vielmehr mit dem Nikotin. Weil es beim Anmischen kräftig durchgequirlt wurde, man das ganze nicht in einer Vakuumkammer macht und es nach dem Anmischen, wie empfohlen bei Zimmertemperatur und ruhig auch im Hellen lagert, oxidiert ein (wirklich kleiner) Teil des Nikotins, was zu der dunkleren Färbung führt. Das kann man experimentell sogar nachvollziehen, indem man ein unaromatisiertes Fläschchen Liquid einmal für eine gewisse Zeit so lagert, wie man es für die „Reifung“ tut. Handelt es sich um ein nikotinhaltiges Liquid, wird man eine leicht gelblich-braune Verfärbung feststellen, die vom oxidierten Nikotin stammt. Nun aber bitte keine Panik schieben. Der Nikotin-Anteil im Liquid, der derart oxidiert, ist ausgesprochen gering. Das Liquid wird davon nicht wirklich „schwächer“. Als Gegenprobe kann man einmal ein 0er liquid (also ohne Nikotin) so aromatisieren, wie man es mit seinem Nikotin-Liquid macht. Lässt man dieses dann genau so lange stehen, wird man feststellen, dass es sich bei weitem nicht so stark verfärbt, wie das „Geschwisterchen“ mit Nikotin. Ein wenig Farbe wird es trotzdem annehmen, denn:
Ein weiterer Faktor ist wieder die im Laufe der Zeit immer gleichmäßiger werdende Verteilung der Moleküle im Liquid. Die häufig nicht vollkommen farblosen Aromastoffe verteilen sich gleichmäßig und führen zu einer gleichmäßigeren und damit intensiver wirkenden Färbung (auch das oxidierte Nikotin verteilt sich mit der Zeit gleichmäßiger).
Schließlich will ich meine Feststellung, dass Liquid nicht wirklich im eigentlichen Sinne des Wortes „reift“ mit einem Gedankenexperiment untermauern. Man kann es allerdings zum Teil auch praktisch nachvollziehen. Wenn man einmal ein Aroma-Fläschchen öffnet und daran riecht, wird man in der Regel feststellen, dass es so duftet, wie man es erwartet. Dazu aber bitte nicht eine Öffnung des Riechkolbens über die Öffnung des Fläschchens stülpen und die Flasche quetschen… besser ist es, die Flasche zu öffnen und mit ein wenig Abstand zur Nase den entströmenden Odeur mit der Handfläche heran zu wedeln. Denn… na, aufgepasst? Genau, zu viele Aromamoleküle können dafür sorgen, dass das eigentliche Aroma nicht mehr wahrgenommen werden kann. Gibt man nun dieses Aroma ins Liquid, so erwartet man einen Geschmack, der dem Geruch gleich kommt, oder? So sollte es auch sein. Man gibt also die passende Menge Aroma in das Liquid, schüttelt oder rührt und stellt halt bei etlichen Aromen fest, dass das Liquid – sofort danach gedampft – nicht so schmeckt, wie man es gehofft, erwartet und vorher „erschnüffelt“ hat. Nun habe ich ja bereits ausgeführt, dass unsere DA stark verdünnte Lösungen der Aromastoffe sind, die wir dann auch noch in wirklich geringer Dosierung zu unserem Liquid geben. Es befinden sich demnach nicht sehr viele Aroma-Moleküle im Liquid (die aber ausreichen). Nun aber meine provokante Frage dazu: Wie kann es sein, dass da der Nase zugefächelte Aroma bereits unmittelbar und „ungereift“ genau so riecht, wie das Liquid schmecken soll (und nach der „Reifezeit“ auch schmeckt)? Und außerdem… wenn sich die Moleküle der Aromastoffe durch chemische Reaktionen wirklich verändern… also zu neuen Stoffen werden… wieso erwartet man dann, dass sie anschließend noch so schmecken, wie man es vermutet und wie sie in unveränderter Form geschmeckt (also gerochen) haben? Na?
Mehr möchte ich dazu nicht ausführen. Eins möchte ich allerdings noch erwähnen: Sicherlich laufen nach dem Mischen auch chemische Prozesse ab. So ist es nun mal in der Realität. Da passiert sicher etwas… und sei es nur ausgelöst durch ein durch den Raum fliegendes Elektron, Positron oder ein Teilchen α-Strahlung, das zu einer chemischen Reaktion führt. Aber das geschieht in so geringem Umfang, dass es nicht bemerkbar und nicht als „Reifeprozess“ zu bezeichnen sein wird.
Die „Reifung“ von Liquids ist meiner Meinung nach keine Reifung im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern lediglich die Zeit, die das Liquid-Aroma-Gemisch bis zur vollständigen Durchmischung benötigt.
Der Durchmischungsprozess lässt sich (wie viele ja bereits auch praktizieren und bestätigen werden) durch besseres initiales Mischen beschleunigen. Schütteln und Rühren ist gut, häufig werden aber die Liquids anschließend für gewisse Zeit in ein Ultraschallbad mit (nicht zu) warmen Wasser gestellt und eine ganze Zeit durchgerüttelt. Das führt zu einer raschen besseren Verteilung der Teilchen und kann den Durchmischungsprozess deutlich verkürzen und zu sofort dampfbaren Ergebnissen führen.
Übrigens… „nicht zu warm“ hat einen Grund. Man kann die Aromen nämlich auch „töten“, wenn man beim Aromatisieren mit zu hohen Temperaturen arbeitet. Das hat schon manch einer gemacht und war enttäuscht, wie besch…eiden das Liquid dann geschmeckt hat. Übrigens… DAS geschieht durch chemische Reaktionen, die durch die zu große Wärmezufuhr ausgelöst werden.
Nun lass ich Euch aber in Ruhe und wedle Euch mit meinem feinen Tuch virtuell ein paar wundervolle Düfte zu… wedel, wedel…
Viel Spaß beim Aromatisieren!
[1] umami: Für die fünfte Qualität des Geschmackssinns – aus dem Japanischen für „fleischig und herzhaft, wohlschmeckend“
[2] Wanderpakete: http://www.dampfer-board.de/index.php/Board/53-Wanderpakete-und-Testrunden/
[3] Verzeichnis der in oder auf Lebensmitteln verwendeten Aromastoffe (Europäische
Kommission): https://ec.europa.eu/food/food-feed-portal/screen/food-flavourings/search
[4] Mischungsentropie: http://wwwex.physik.uni-ulm.de/lehre/gk2-2007/node31.html