Ein Loch ist in der Lunge, oh oe, oh 24…

Schon lange reagiere ich nicht mehr viel auf Presseartikel zum Thema Dampfen. Und schon gar nicht, wenn sie in Medien vom Typus „Bild und Verwandte“ erscheinen.

Nun stolperte ich heute über den Artikel

Lungenblasen – E-Zigaretten brennen Loch in Lunge von 17-Jähriger

(kein Direktlink, sondern Memento bei archive.org)

im Bildblättchen oe24 (inzwischen ist er auch in der Original-Bild, bei MSN und noch hier und da erschienen).

Na und als ich am Ende angekommen war, stand da: „Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Ok… wenn sie das möchten… bitteschön… mach ich mal ne Ausnahme und reagiere drauf. Hier die Meldung an oe24:


Einen Fehler? Der ganze Artikel ist in sich ein großer Fehler. Mit einem Minimum an Recherche und dem dezenten Einsatz des gesunden Menschenverstands hätte verhindert, dass ein solch hanebüchener Artikel überhaupt erst entsteht, geschweige denn, dass er unter reißerischer Headline veröffentlicht wird.

Fangen wir mal ganz vorne an (und werfen einen Blick auf das Ende des Artikels):

Das Mädchen hat „E-Zigaretten“ konsumiert. Angeblich 57 Stück pro Tag. Nun konsumiert man herkömmliche „E-Zigaretten“ nicht „stückweise“, sondern man konsumiert eine gewisse Menge Liquid. Das legt die Vermutung nahe, dass mit der Stückzahl der Verbrauch von Einweg-E-Zigaretten, sogenannten Disposables gemeint ist. Am Ende des Artikels wird diese Annahme dann auch untermauert, denn die Chirurgen äußern den Verdacht, „dass die Einweg-E-Zigaretten das Lungenbläschen zum Platzen gebracht und so das Loch verursacht haben“.

Ok, sie halt also 57 Disposables am Tag weggedampft (geraucht hat sie die nicht, denn es entsteht kein Rauch… aber egal… ist halt umgangssprachlich). Das ganze hat sich in Großbritannien abgespielt. Dort kostet eine Disposable knapp unter 5 Pfund, also gut 5,58 Euro. Bei einem Verbrauch von 57 Stück am Tag ergibt das Kosten in höhe von über 330 Euro… pro TAG! Im Monat wären das durchschnittlich also um die 10.000 Euro. Hat sie das vom Taschengeld bezahlt? Oder hat sie einen Schülerjob, bei dem man über 10.000 Euro monatlich verdient? Hmmm…

Ok… also 57 Disposables am Tag… und sie hat dabei 4.000 Züge in der Woche gemacht. In der Woche müsste sie also 399 Disposables verbraucht haben (7 x 57). Teilt man nun die wöchentlichen Züge durch die Anzahl an konsumierten Disposables, so hätte sie aus jeder nur zehn Züge konsumiert. Nun werden die (zumindest die legalen und halbwegs seriösen) Produkte mit einer Zugzahl von um die 600 Zügen angeboten. Ein Zug ist keine festgelegte Größe. Man nimmt aber maximal vier Sekunden für einen durchschnittlichen Zug an. Um die Disposables am Tag leer zu dampfen, hätte das Mädchen Züge von jeweils ca. 240 Sekunden machen müssen. Physiologisch unmöglich.

Aber nehmen wir einmal an, sie hätte tatsächlich 57 Disposables am Tag leer gedampft, dann hätte sie (in dem zwei Milliliter fassenden Tank befinden sich 40 mg Nikotin… die sie aber nicht komplett konsumiert haben wird, weil bei Disposables der Tank in der Regen nicht völlig entleert ist, wenn die Akkuzelle keine Leistung mehr bringt… man kann von vielleicht 35 mg Nikotin pro Disposable rechnen) täglich 1.995 mg Nikotin konsumiert. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher starker Raucher nimmt täglich 40 – 60 mg Nikotin auf. Die knapp zweitausend Milligramm darf man also getrost als „sportlich“ bezeichnen. Die Menge an Nikotin entspräche dann aber dem vierfachen der derzeit angenommenen letalen Dosis von Nikotin. Mal abgesehen davon, dass man eine toxische Dosis Nikotin gar nicht über Inhalation aufnehmen kann, weil der Körper schon wesentlich früher streikt und eine weitere Aufnahme selbständig verhindert, hätte das Mädchen bereits am ersten Tag nach wenigen Stunden an einer Vergiftung sterben müssen.

Da KANN also was NICHT STIMMEN… an den Zahlen.

Ok. Dann nehmen wir an, bei den 57 Stück, da wurde wohl was falsch verstanden, oder so… und gehen wir mal von den 4.000 Zügen in der Woche aus. Das würde bedeuten, dass sie am Tag um die 570 Züge gemacht hat. Das entspräche einer Stückzahl von (realistisch betrachtet, weil die Zuganzahl von 600 Zügen in der Praxis quasi nie erreicht wird… der Akku hält nicht lange genug… ich gehe mal großzügig von 400 sehr kurzen Zügen aus) 10 Stück in der Woche… also eine dreiviertel Disposable am Tag. Und das ist WENIG! Das entspricht ungefähr 25 Milligramm Nikotin am Tag. Der durchschnittliche Dampfer, der fast ausschließlich früher Tabakraucher war und dessen Körper eine gewisse Menge an Nikotin erwartet, konsumiert täglich deutlich mehr. Nun hängt es beim normalen Dampfer davon ab, wie hoch die Konzentration des Nikotin im verwendeten Liquid ist. Ich nehme mich hier als Beispiel… ich war starker Raucher. Vor über zwölf Jahren habe ich das Rauchen komplett aufgegeben und konsumiere seit dem nur noch „E-Zigaretten“. Ich nutze ein Liquid mit 2 mg Nikotin pro Milliliter und verbrauche täglich gut 20 ml Liquid (eine Disposable enthält nur zwei Milliliter, dafür aber die zehnfache Menge an Nikotin). Das bedeutet, ich konsumiere seit über einem Jahrzehnt eine bedeutend größere Menge an Aerosol, als das betroffene Mädchen. Mit dieser Konsummenge bin ich nicht alleine. Weltweit konsumieren Millionen Menschen so viel (oder etwas weniger, wenn eh höher dosiert ist) Liquid. Und es gibt bis heute nicht einen einzigen belegten Fall, dass kausal dadurch ein Lungenemphysem verursacht wurde.

Die Jugendliche hat also nicht sonderlich viel gedampft (und dafür trotzdem monatlich beachtliche 230 Euro ausgegeben) und nun trat bei ihr (davon muss man aufgrund der Schilderung und den verwendeten Begriffen „Lungenblasen“ – nicht zu verwechseln mit den Lungenbläschen) ein Lungenemphysem auf, der betroffene Bereich der Lunge musste operativ entfernt werden.

Dass dieses nun durch den Konsum der Disposables verursacht wurde, ist eine mehr als steile These. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Millionen von Menschen täglich deutlich mehr dampfen und keine weiteren Fälle bekannt sind.

Und wo, mal angenommen es gäbe einen tatsächlichen Zusammenhang mit den Disposables, hat jetzt das Produkt ein LOCH in die Lunge GEBRANNT? Das inhalierte Aerosol ist nur unwesentlich wärmer, als die Körpertemperatur. Da „brennt“ nichts. Das berühmte Dampfbad bei Erkältung ist wesentlich heißer. Und von Disposables, mit einem Laser, der dann auch noch um die Ecke Löcher in die Lunge brennen kann, habe ich noch nie etwas gehört.

Der gesamte Artikel ist in sich komplett unlogisch, ausgesprochen manipulativ formuliert und dient nur einem einzigen Zweck: dem Ruf des Dampfens zu schaden.

Es mag ja sein, dass der Grund dafür ein „edler“ ist (ich selbst verdamme die Disposables), aber es würde trotzdem genügen, bei der Wahrheit zu bleiben und die tatsächlichen Risiken dieser Produkte als Gegenargument anzuführen.

Ich hoffe auf eine (aber erwarte keine) Richtigstellung.

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