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(arch)
Darin stellt Thomas zutreffend fest, dass die E-Dampf-Branche keine wirklich machtvolle Lobby in der Politik ist und deshalb Entscheidungen eher den Einflüsterungen von Big-T und Big-P folgen.
Er bietet dann eine Lösung an, wie die Verhältnisse ausgeglichener werden könnten.
Zu etlichen der Punkte habe ich – auch aufgrund meiner Erfahrungen – andere Ansichten. Und es sind viele Punkte, die er anspricht, weshalb mein Kommentar als Blog-Kommentar unter dem Artikel viel zu groß und umfangreich werden würde.
Zunächst einmal noch ein paar Gründe, weshalb Pharma- und Tabaklobby so großen Einfluss auf die Politik haben: Thomas führt korrekt an, dass da Unmengen Kapital dran hängen. Big-P und Big-T sind milliarden- und abermilliarden schwer. Dagegen ist die noch relativ junge Dampfer-Branche schlicht ein Pfurz im Orkan.
Hinzu kommt aber auch noch, dass es Filz und enge Bande gibt. Die großen Player der alten Branchen sind über Jahrzehnte lange Freundschaften und enge Familienbande eng mit der Politik verknüpft. Man kennt sich… nicht nur über Lobbygespräche, sondern von Familienfeiern, aus dem Golfclub, durch gemeinsame Freunde, Veranstaltungen, wo man als Ehrengast geladen ist etc. pp. Das sind in langer Zeit in ganz anderen Sphären gewachsene Bande.
Die echte(!) Dampfer-Branche ist aber gerade erst der Startup-Phase entwachsen… sie sind am Ende der „Pubertät“. Man kennt sich nicht, man hat keine familiären Bande oder über Generationen bestehende Freundschaften… man ist „der Neue“. Dementsprechend ist der Einfluss ausgesprochen gering. Und Geld alleine kann daran auch nichts ändern, sondern nur unterstützen. Und da bin ich auch schon beim ersten Punkt:
Die Rechnung, dass jeder Dampfer einfach einen Fünfer an die Branche spendet, klingt nett… aber zumindest bei mir erzeugt sie generelle Ablehnung. Auch wenn die Branche noch jung und vergleichsweise klein ist, wird da ordentlich Geld generiert. Nicht ohne Grund werden bis heute Disposables durch die Branche und Branchenverbände einfach so hingenommen (ja… nach Außen tut man so, als wüsste man um die Probleme und wolle dagegen vorgehen)… die generieren Kohle ohne Ende (na ja… bis sie dann verboten werden… man nimmt halt mit, was man bekommen kann). Und da sollen nun deren Kunden, die ihnen die Umsätze bescheren, auch noch einen „Monatsbeitrag“ für Lobbyarbeit beitragen. Ich glaube nicht, dass sowas möglich wäre. Das fände keine Akzeptanz… zu Recht!
Bei Geldern von Organisationen müsste die Branche dann aber schon wieder mächtig aufpassen. Auch wenn viele Orgas vorgeben, aus reiner Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit zu agieren, spielen da sehr oft ausschließlich Wirtschafts- und Machtaspekte eine Rolle… und man kann ganz schnell an einen Unterstützer geraten, dessen Reputation nicht so gut ist und dadurch die Branche selbst in ein schlechtes Licht rücken.
Ein weiterer Punkt ist das eigentliche Aufnehmen echter Lobbyarbeit. Nun, das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Den Fuß in die Tür zu bekommen und von wirklich entscheidenden Protagonisten der Politik ernst genommen zu werden, ist nicht einfach. Die großen Händlerverbände (sofern es nicht eigentlich Tabak-Verbände mit „Geschichte“ sind) haben das bis heute nicht einmal im Ansatz geschafft.
Aber klar… das muss ein Ziel sein und bleiben, selbst wenn es in sehr ferner Zukunft liegt.
Dann die Aussage zu den Fakten…
Ja, es wäre wünschenswert, wenn wissenschaftliche Fakten Beachtung fänden. Leider ist dem, obwohl es sie durchaus in nicht geringer Zahl gibt, nicht so. Es werden viel lieber „alternative Fakten“ genommen, wenn sie dem Ziel der ANTZ oder der Tabakbranche entsprechen.
„Die Branche muss in Studien investieren, …„
Erste böse Falle! In dem Moment, wo die Dampfer-Branche eine Studie finanziert, ist diese verbrannt… sie ist unbrauchbar. Egal wie unabhängig die Wissenschaftler letztlich gearbeitet haben… sie wird als parteiische Auftragsarbeit angesehen und das wird auch laut und deutlich öffentlich kommuniziert. Studien mit Geld aus der Dampfer-Branche werden niemals Anerkennung finden.
Und mit der Öffentlichkeitsarbeit, die dann angeführt wird, ist es auch so eine Sache. TV-Spots und Annoncen sind kein wirklich gangbarer Weg. Zu einfach, zu schnell könnte das als „Werbung“ eingeordnet und dies dann gerichtlich bestätigt werden… und Werbung ist nunmal verboten. In Zeiten, wo es schon als unlauteres Heilsversprechen bewertet wird, wenn ein Bierhersteller seinen Gerstensaft als „bekömmlich“ labelt, wären positive Aussagen zum Dampfen in den Medien ganz schnell als Werbung eingestuft, würden verboten, und Strafen nach sich ziehen.
Seiten mit Richtigstellungen und Faktenchecks? Kann man machen. Liest (hört oder sieht) nur keiner! Was gesehen wird, sind Schlagzeilen in den täglichen Medien. Die kann man aber nicht „kaufen“. Und Katastrophen verkaufen sich auch immer besser, als positive Nachrichten, die nur einen kleinen Teil der Bevölkerung betreffen.
Der Traum davon, dass die Verbraucher, die Konsumenten etwas bewirken können, ist schon seit Jahren ausgeträumt. Diese Gruppe ist einfach nicht zu motivieren. Vor allem deshalb nicht, weil es keine schnellen Effekte gibt, sondern die Sache ein Marathon wäre. Wenn aber Engagement nicht unmittelbare Wirkung zeigt, dann wird ganz schnell resigniert (ist heute halt so).
Das ist auch der Grund, weshalb es keinen einzigen Verbraucherverband mehr in Deutschland gibt (auch der BVRA ist faktisch tot).
Ein ganz großes Problem bei Grassroots-Bewegungen, die z.B. über Mails und Briefe sichtbar werden ist, dass es schnell als Astroturf gelabelt wird. Und genau deshalb verfluche ich die WVA… denn das ist eine Astroturf-Organisation, finanziert zu großen Teilen auch noch durch Big-T, die sich extrem in den Vordergrund spielt und jegliche andere Bewegung in Verruf bringt.
Und Storytelling? Jau, prima Idee. Nicht wirklich neu. Nur ist auch das eine Sache, die ganz schnell versandet. Viele können oder wollen heute keine Texte mehr schreiben, die nicht durch eine Hand voll Emoticons darstellbar sind. Und auch hier fehlt der messbare Effekt in kürzester Zeit, weshalb die Resignation solche Sachen rasch zum Erliegen kommen lässt. Es gab (und gibt) ja immer noch die Seite „ExRaucher„, welche mit die erste war, die solche Testimonials gesammelt und genutzt hat. Und obwohl immer wieder mal Aufrufe gemacht wurden, doch die eigene Story auch einzureichen, war bei 165 das Ende erreicht… die Story 165 ist viele Jahre alt.
Die restlichen Punkte sind schöne Utopien, die aber eigentlich erst dann angegangen werden können, wenn das Dampfen ein entsprechendes Gewicht hat (was ich aber für ausgeschlossen halte).
Das sind die Gründe, weshalb ich die Hoffnung von Thomas, die er am Ende seines Beitrags zum Ausdruck bringt, nicht teilen kann. Aber bitte bedenken: Das ist meine persönliche Meinung, die sich aus jahrelangen Erfahrungen gebildet hat. Ich erhebe keinen Anspruch auf „die Wahrheit“. Jeder muss für sich selbst die Schlüsse ziehen.
Dass es ein Marathon wäre, dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Nur leider ist das Durchhaltevermögen inzwischen so mies, dass da wenig Hoffnung besteht. Und bis die Dampfer-Branche einmal als echte Lobby agieren kann, ist das Dampfen in Europa und in der Welt längst zu Tode reguliert.
tl;dr
- Die Branche ist zu jung, auch nur annähernd ein Gewicht wie die Pharma- und Tabaklobby zu erreichen.
- Die Branche verdient genügend. Es gibt keinen Grund, dass die Konsumenten für diese da noch oben drauf spenden.
- Die Finanzierung (auch wirklich unabhängiger) Studien verbrennt diese; das würde als „Waffe“ gegen das Dampfen verwendet werden.
- Aufklärungskampagnen in den Medien können leicht als unerlaubte Werbung eingestuft werden, dann das Gegenteil bewirken, das investierte Geld vernichten und ggf. zu Strafen führen.
- Informations-, Aufklärungs- und Faktencheck-Seiten werden von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
- Grassroots-Kampagnen durch die Verbraucher werden gerne als Big-T-finanzierter Astroturf abgestempelt. Die WVA sorgt dafür, dass das auch noch als naheliegend angesehen wird.
- Es gibt keine Verbraucherverbände in Deutschland (dazu in Kürze mehr).
- Testimonials und ähnliche Aktionen sind aufgrund der Langfristigkeit leider nicht zielführend. Das Interesse und die Bereitschaft zur Teilnahme nehmen zu schnell ab und die Sache kommt zum Erliegen.
- Es ist zu spät!
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