Die Übergangsregelungen im TabakerzeugnisG gehören zu den „verworrensten“ Bestimmungen der Gesetzgebung rund um die Umsetzung der TPD2. Gerade in Bezug auf die „elektronische Zigarette oder Nachfüllbehälter“ muss man wirklich genau lesen und den § 47 TabakerzeugnisG quasi in seine Einzelteile zerlegen, um zu verstehen was nun wirklich gemeint ist und was es mit den verschiedenen Fristen auf sich hat.
Die Übergangsfristen für „elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter“ sind in § 47 Absatz 2 Tabakerzeugnisgesetz geregelt:
§ 47 Übergangsregelungen 2) Elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter, die 1. vor dem 20. November 2016 a) hergestellt oder
b) in den freien Verkehr gebracht und gekennzeichnet wurden und 2. den bis dahin geltenden Vorschriften entsprechen, dürfen noch bis zum 20. Mai 2017 in den Verkehr gebracht werden oder im Verkehr verbleiben.
Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter werden gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TabakerzeugnisG durch Artikel 2 der Richtlinie 2014/40/EU definiert.
§1 TabakerzeugnisG Begriffsbestimmungen;
Anwendbarkeit weiterer Bestimmungen (1) Für die Anwendung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 1).
Artikel 2 Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck 16. „elektronische Zigarette“ ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks verwendet werden kann, oder jeden Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Elektronische Zigaretten können Einwegprodukte oder mittels eines Nachfüllbehälters oder eines Tanks nachfüllbar sein oder mit Einwegkartuschen nachgeladen werden; 17. „Nachfüllbehälter“ ein Behältnis, das nikotinhaltige Flüssigkeit enthält, die zum Nachfüllen einer elektronischen Zigarette verwendet werden kann;
Demnach ist „elektronische Zigarette“ jedes E-Dampfgerät, sowie jeder Bestandteil des Produktes, sofern dieser hauptsächlich zur Verwendung als Teil eines E-Dampfgerätes hergestellt wurde.
Ein Nachfüllbehälter ist jedes Behältnis (Flasche, Kanister etc.), das nikotinhaltige Flüssigkeit zum Nachfüllen eines E-Dampfgeräts enthält. Dabei ist nicht die Funktionalität des Behälters (Ist er unmittelbar zum Nachfüllen geeignet?), sondern der Inhalt des Behälters (der in Form und Ausführung nicht näher definiert ist) ausschlaggebend. Jeder Behälter, der nikotinhaltige Flüssigkeit enthält, die zum Nachfüllen von E-Dampfgeräten enthält, ist ein „Nachfüllbehälter“ im Sinne des Gesetzes, unabhängig davon, ob man direkt aus diesem Behälter „Nachfüllen“ könnte.
Nun muss noch der Begriff des Inverkehrbringens definiert werden. Das TabakerzeugnisG enthält keine diesbezügliche Legaldefinition. Dieses geschicht in der TPD2:
Artikel 2 Begriffsbestimmungen 40. „in Verkehr bringen“ die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten — unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucher, die sich in der Union befinden, auch mittels Fernabsatz; im Fall von grenzüberschreitendem Fernabsatz gilt das Produkt als in dem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht, in dem sich der Verbraucher befindet;
Der Begriff ist aber in etliche anderen Gesetzen definiert:
Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) § 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes 15.
ist Inverkehrbringen die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt; die Einfuhr in den Europäischen Wirtschaftsraum steht dem Inverkehrbringen eines neuen Produkts gleich,
Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) § 3 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes sind 9.
Inverkehrbringen:
die Abgabe an Dritte oder die Bereitstellung für Dritte; das Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt als Inverkehrbringen, soweit es sich nicht lediglich um einen Transitverkehr nach Nummer 8 zweiter Halbsatz handelt;
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) § 4 Sonstige Begriffsbestimmungen (17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) § 3 Weitere Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes sind:
1.
Inverkehrbringen: Inverkehrbringen im Sinne des Artikels 3 Nummer 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002; für kosmetische Mittel, Bedarfsgegenstände und mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte gilt Artikel 3 Nummer 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 entsprechend,
Hier wird auf Artikel 3 Nummer 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verwiesen:
Artikel 3 Sonstige Definitionen Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 8. „Inverkehrbringen“ das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst;
Als Inverkehrbringen von Produkten bezeichnet man im Wirtschaftsrecht der Europäischen Union, insbesondere im Produktsicherheitsrecht, Produkte erstmals im Hoheitsgebiet der EU für die Verwendung oder den Vertrieb verfügbar zu machen.
Das TabakerzeugnisG hält aber noch eine Besonderheit zum „Inverkehrbringen“ bereit, indem es auch die Abgabe verkaufsfertiger Produkte durch ausländische Händer oder Hersteller ebenfalls als inländisches „Inverkehrbringen“ definiert und damit die Regelungen der TPD2 (s. o.) drastisch verschärft und damit Handelshemmnisse im Binnenmarkt schafft, die eigentlich durch die TPD2 abgebaut werden sollten:
§ 1 TabakerzG Begriffsbestimmungen;
Anwendbarkeit weiterer Bestimmungen (1) … Artikel 2 Nummer 40 gilt mit der Maßgabe, dass die Bereitstellung von Produkten jede Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit umfasst.
Sobald also ein Produkt in seiner aktuellen Ausfertigung zur Abgabe bereitgehalten wird (entweder aus eigener Produktion oder durch Import), wird dieses in Verkehr gebracht. Ist es einmal in Verkehr gebracht, so bleibt es durch die fortdauernde Bereitstellung genau dieses Produktes im Verkehr.
Gemäß § 47 Abs. 2 TabakerzeugnisG bleibt somit eine Übergangsfrist bis zum 20.11.2016, was das Herstellen und Inverkehrbringen von Produkten anbelangt. Alles war bis zu diesem Zeitpunkt hergestellt oder bereits in den Verkehr gebracht wurde, darf bis zum 20.05.2017 weiterhin im Verkehr bleiben, ja es dürfen sogar neue Produkte, sofern vor dem 20.11.2016 hergestellt in den Verkehr gebracht werden (also erstmal zur Abgabe bereitgehalten werden).
Was jedoch bei dieser Übergangsregelung nicht übersehen werden darf, ist § 47 Absatz 2 Nr. 2. Hier wird eine weitere zwingende Voraussetzung für das Inverkehrbringen bzw. das Verbleiben im Verkehr genannt:
„den bis dahin geltenden Vorschriften entsprechen“
Das bedeutet, dass Produkte, die bereits in den Verkehr gebracht wurden, den jeweils bei erstmaligem Inverkehrbringen geltenden Vorschriften entsprechen muss.
Wurde ein Produkt vor dem 20.05.2016 in Verkehr gebracht, so darf es bis zu, 20.05.2017 weiter verkauft werden. Bis zum 20.05.2016 gabe es nur wenige Vorschriften, denen z. B. E-Dampfgeräte entsprechen mussten. Hier würden am ehesten das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und die entsprechenden Verordnungen greifen (z. B. CE-Kennzeichnung etc.). Generell muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sämtliche Geräte, die legal im Verkehr waren, den geltenden Vorschriften entsprachen. Produkte, die nach dem 20.05.2016 in den Verkehr gebracht werden, müssen hingegen den seit dem geltenden Vorschriften entsprechen. Diese sind im TabakerzeugnisG festgelegt. Somit müssen „elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter“ den Regelungen des TabakerzeugnisG entsprechen, wenn sie nach dem 20.05.2016 (erstmals) in Verkehr gebracht werden sollen.
Zusammengefasst:
Produkte, die vor dem 20.05.2016 in den Verkehr gebracht wurden und den bis dahin (20.05.2016) geltenden Vorschriften entsprachen, dürfen bis zum 20.05.2017 weiter verkauft werden.
Produkte, die zwischen dem 20.05.2016 und dem 20.11.2016 erstmals in Verkehr gebracht werden und den in diesem Zeitraum geltenden Vorschriften (TabakerzeugnisG, TabakerzeugnisV) entsprechen, dürfen bis zum 20.05.2017 weiter verkauft werden. Hier wird lediglich die Notwendigkeit einer Zulassung / Anmeldung / Prüfung der neuen Produkte ausgesetzt.
Fazit:
Liebgewonnene und vor dem 20.05.2016 auf dem Markt erhältliche Produkte wird man noch bis zum 20.05.2017 erwerben können. Dabei sollte man bedenken, dass Hersteller und Händler, je näher die Deadline rückt, die Nachproduktion verringern bzw. einstellen werden, damit sie nicht auf „teurem Schrott“ sitzen bleiben. Es wird auch neue Produkte geben. Diese müssen aber schon den neuen gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Eine Anmeldung / Prüfung / Registrierung findet zwar vorerst nicht statt, das ist aber eher eine „Gnadenfrist“ für die Verwaltung, die entsprechende Strukturen aufbauen und Maßstäbe erarbeiten muss. An die allgemein verständlichen Beschränkungen müssen sich Hersteller und Händler trotzdem schon halten.
Auf jeden Fall sollte sich keiner zu sicher fühlen und sich bereits jetzt mit dauerhafter Hardware und ausreichend(!) Base versorgen. Es kann mit manchem Produkt schneller knapp werden, als man vielleicht meinen mag.
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