Länger dampfen mit Silizium?

Nein, hier geht es nicht darum, Silizium in Propylenglycol oder Glycerin aufzulösen… da wäre ein Teebeutel vielleicht geeigneter… 😉 😀

Ich versuche hier einmal einen Überblick über den derzeitigen Stand der Akkutechnik zu geben, der irgendwann einmal zu Akkus führen kann, die eine wesentlich höhere Kapazität besitzen, als die derzeit verfügbaren Lithiumionen-Akkus.

Der miese Charakter von Lithiumzellen

Akkus besitzen eine Persönlichkeit… eine miese Persönlichkeit, weil sie sich immer dann dazu entschließen, leer zu sein, wenn es am wenigsten passt. Wenn wir Dampfer einen Akkuträger (oder auch Kombiakku) nutzen, der mit nur wenigen Zellen (oft noch immer nur eine) auskommt, so sind wir gezwungen, öfter einmal den Akku zu wechseln bzw. den Kombiakku nachzuladen. Die Kapazität, die in Milliamperestunden (mAh) angegeben wird, ist ein Maß dafür, wie lange wir mit dem Akku dem Dampfvergnügen frönen können.

Kapazität / Energiedichte

Das Problem ist, dass die Energiedichte (also die Menge an Energie, die pro Masse vorgehalten werden kann; Wattstunden pro Kilogramm Wh/kg) bei den handelsüblichen Lithiumionen-Akkus beschränkt ist. Aus diesem Grund ist bei den verbreiteten 18650er Akkuzellen bei ungefähr 3.000 mAh Schicht im Schacht. Oftmals liegt die Kapazität noch ein Stück darunter und bei manchen Zellen wird technologisch ein wenig getrickst, so dass auch noch ein wenig mehr möglich ist… aber die Grenze liegt so in diesem Bereich (wenn man über Akkuzellen stolpert, die mit 4.000, 4.500, 5.000… mAh angegeben werden – fein aufgedruckt auf den Mantel – so sollte man 1. einen skeptischen Gesichtsausdruck auflegen, 2. den Quatsch nicht glauben und 3. am besten die Finger von der Zelle lassen, denn seriös ist solch eine Angabe nicht und wer weiß, wo dann bei dem Akku sonst noch unseriöse Angaben gemacht werden).

Man kommt, wenn man ein paar Akkus hat, eigentlich schon heute ganz gut über den Tag. Allerdings relativiert sich das doch immer mehr, weil die Tendenz doch hin zu immer leistungsfähigeren Akkuträgern geht… die Dinger leisten inzwischen teilweise mehrere hundert Watt, die dann auch gerne mal genutzt werden (wozu auch immer) und saugen die Akkus dann deutlich schneller leer.

Es wäre also wünschenswert (und das nicht nur für uns Dampfer, sondern auch für alle anderen elektronischen und elektrischen Geräte, die ihre Energie aus solchen Akkus beziehen… E-Bikes, E-Autos, Laptops, Smartphones, elektrische Zahnbürsten…), wenn es technisch möglich wäre, die Kapazität bei gleicher Größe und gleichem Formfaktor zu steigern.

Weltweit wird an Lösungen dafür geforscht, weil das Speichern elektrischer Energie immer wichtiger wird.

Physik der Akkus

Nun ein kleiner Ausflug in die Physik von Akkus (keine Panik… ich erkläre das leicht verdaulich)…

Ein Lithiumionen-Akku besteht aus einer Elektrode, die aus Graphit (Kohlenstoff) besteht und einer Elektrode aus Lithium-Metall-Oxid. Nicht verwirren lassen, wenn hier der Begriff „Elektrode“ auftaucht, der im alltäglichen Sprachgebrauch eher die Bezeichnung für die „Nuppel oder „Nichtnuppel“ an den Akkus ist, wo man den Saft letztlich abzapft. Eigentlich sind das die Anschlüsse. Die Elektroden sind tatsächlich die beiden „Hälften“ eines Akkus. Wesentlich für die Kapazität eines Akkus ist die Anode aus Graphit. Bei Graphit handelt es sich um Kohlenstoff in kristalliner Form und es besitzt die Eigenschaft, Lithium-Ionen (LiIo) aufzunehmen. Werden also ne Menge LiIo in die Graphitelektrode gepresst, so entsteht die Ladung, die wir bei der Benutzung abrufen wollen.

Die beiden „Hälften“ der Akkuzelle sind durch einen Separator getrennt, der jedoch für LiIo durchgängig ist. Damit kann man beim Laden die LiIo in die Anode quetschen.

Jetzt ist die Fähigkeit, LiIo aufzunehmen immer vom Material abhängig. Graphit ist in der Hinsicht schon gut geeignet, setzt aber die eingangs erwähnte Grenze. Irgendwann ist Schluss mit LiIo-Speichern. Deshalb wird nach Alternativen gesucht (und es wurden welche gefunden), die einfach einen größeren „LiIo-Tank“ haben, also mehr Ionen aufnehmen können, um eine größere Kapazität zu ermöglichen.

Alternative zum Graphit

Und ein billiges, reichlich verfügbares Material hat man schon lange gefunden. Es ist Silizium… und das gibt es wortwörtlich wie Sand am Meer. Silizium (nicht wundern, wenn in englischsprachigen Texten von „Silicon“ die Rede ist… das ist halt deren Wort für Silizium und hat nix mit „Kissen“ zu tun, die man in bestimmte Bereiche des Oberkörpers einbringen kann und ist auch nicht geeignet, um damit Fugen zu versiegeln) hat die Eigenschaft, wesentlich mehr LiIo aufzunehmen, als das Graphit.

Also wäre es doch eine prima Idee, die Anode statt aus Kohlenstoff einfach aus Silizium herzustellen. Und die Idee ist auch prima… aaaber… es gibt da ein Problem. Nimmt Silizium LiIo auf, so dehnt es sich aus… es dehnt sich mächtig aus… um bis zu 300%. Das ist ein echtes Problem, weil es das Material beeinträchtigt und zur Zerstörung führen kann. Weil Silizium aber grundsätzlich so prima geeignet ist, sind nun weltweit zahlreiche „Tüftler“ daran gegangen, dieses Problem zu lösen. Und weil Forschung und Entwicklung Geld kostet, muss man seine Forschung schmackhaft machen. Deshalb gibt es schon seit Jahren vereinzelte Meldungen, man könne die Akkukapazität mit Silizium verfünffachen oder gar versechsfachen. Diese Aussagen sind nicht vollkommen falsch, sind aber zu hoch gegriffen, weil sich das (nach derzeitigem Stand) praktisch nicht nutzbar machen lässt.

Probleme überwinden

Es wurden verschiedene Ansätze ausprobiert.

Ein Ansatz sind die Silizium-Luft-Akkus, denen man sich im Forschungszentrum Jülich widmet. Aber die haben Nachteile, weil bei der Entladung Siliziumoxid entsteht (also quasi „Sand“), der sich durch einen normalen Ladevorgang nicht wieder auseinandernehmen lässt. Solche Akkus kann man also nicht normal laden, sondern man muss, wenn er alle ist, die Anode austauschen. In der Praxis eher – nett gesagt – nicht wirklich sinnvoll nutzbar. In Jülich ist man dran, diesen Nachteil zu beseitigen und ist zu der Auffassung gelangt, dass man dem entgegenwirken kann, indem man das sich offenbar verbrauchende Elektrolyt nachführt. Dazu hat man Akkuzellen gebaut, die mit einem Pumpsystem für jeweils frischen Nachschub an Elektrolyt sorgt.

Das ist ja ne nette Idee… aber für den üblichen Einsatzzweck der stinknormalen Akkus wohl kaum nutzbar. Stellt Euch vor, Ihr müsstet an Eurem AT noch eine Pumpe dranbauen und einen Elektrolyttank… und die Pumpe braucht ja auch Strom (es sei denn, man will ne Kurbel drehen), der dann wieder… hmm… vielleicht aus einem Akku entnommen wird.

Sieht so aus, als wäre das nicht der Ansatz, der uns weiter bringt.

An der Stanford-Uni ist man einen anderen Weg gegangen… Nanodrähte. Diese Nanodrähte aus Silizium sind in Hinsicht auf die Volumenausdehnung weitaus weniger empfindlich, als „massive“ Siliziumanoden. Diese Nanodrähte sind knapp 90 Nanometer dünn und dehnen sich auf ca. 140 Nanometer aus. Die Belastung des Materials wird allerdings dadurch entschärft, dass sie auch in der Länge wachsen. Damit ist dieses Problem vielleicht nicht völlig beseitigt, aber derart eingedämmt, dass sich damit vernünftige Akkuzellen bauen ließen. Aaaber… genau, es gibt wieder ein „Aber“… die Herstellung dieser Nanodrähte ist scheiße teuer. Der Herstellungsprozess ist aufwändig, erfordert Temperaturen bis zu 900° C und einen Katalysator aus Gold. Eine derartige Herstellungsanlage ist also nichts, was man im Baumarkt bekommt. Machbar, aber kacke teuer. Damit ist das wohl auch nicht der Stein der Weisen, für die Revolution der „Alltags-Akkus“.

An der Uni Waterloo ist man auch im „Nano-Bereich“ unterwegs, wobei hier keine Nanodrähte in teuren und aufwändigen Anlagen produziert werden, sondern die Anode selbst eine Nanostruktur verpasst bekommt… also Silizium-Nanopartikel, die die Nachteile der Ausdehnung auch kompensieren. Man rechnet mit Kapazitäten von ca. 1.000 mAh/g und einer Lebensdauer von über 2.200 Zyklen.
DAS klingt dann schon eher interessant. Von einer industriellen Umsetzung ist aber noch nicht die Rede.

Ein weiterer verfolgter Ansatz ist, die Siliziumschicht einfach extrem dünn zu machen (wieder Nananenanino-Technik), was in der Praxis ausreicht, weil sich die LiIo ohnehin nur in den äußersten Schichten des Siliziums einlagern. An diesem Prinzip wird auch intensiv geforscht, doch noch nicht an einer industriell nutzbaren Fertigung.

Die Chinesen sind an einem weiteren Ansatz dran. Sie versuchen amorphes Silizium (also solches, das keine starre Kristallstruktur aufweist) zu nutzen, um die Spannungsbelastung bei der Ausdehnung zu vermeiden. Und das scheint ihnen auch zu gelingen… in einem Herstellungsprozess, der nicht sehr aufwändig und teuer ist.

Vielversprechende Entwicklung

Vor knapp einem Monat sprang mir dann eine Pressemeldung des Energy research Centre of the Netherlands (ECN) ins Auge, die mit dem Titel

„Batteries with 50 per cent more energy one step closer“
(„Batterien mit 50 Prozent mehr Energie ein Schritt näher“)
Link

überschrieben war.

Das klang für mich relativ glaubwürdig, weil hier nicht mit 500 oder 600% geklotzt wurde, sondern einem deutlich glaubwürdigeren Wert. Im Vergleich zu den (theoretisch sicher auch erreichbaren, praktisch aber schwer umsetzbaren) gigantischen Versprechungen anderer Forscher klingt das zunächst als ein nur kleiner Schritt… aber überlegt mal… Nehmen wir wieder die verbreitete 18650er Zelle und davon eine, die mit 3.000 mAh daher kommt. Mit der hier angesprochenen Technik könnte zukünftig eine solche Zelle dann 4.500 mAh haben. Das ist doch mal ne Hausnummer, die uns etliche Stunden länger das Dampfen ermöglichen könnte.

Und „ein Schritt näher“ klang in meinen Ohren auch so, als sei man von einer praktischen industriellen Nutzung nicht mehr so weit entfernt, wie zahlreiche andere Forschungsprojekte.

Also habe ich Kontakt zum ECN aufgenommen und ein paar Fragen gestellt… und auch Antwort erhalten.

Die Entwicklung einer industrietauglichen Herstellung solcher Akkus bzw. solcher Anoden wird durch ein Spin-Off des ECN, das auf den Namen LeydenJar hört, betrieben.

Sie arbeiten dabei mit puren Siliziumanoden, die eine hochporöse Nanostruktur aufweisen. Der Herstellungsprozess befindet sich noch in der Entwicklung, wird aber durchaus praxistauglich sein und nicht so kompliziert, dass die Kosten zu hoch würden.

Bislang waren sie in der Lage, Knopfzellen mit 1.000 bis 2.000 mAh/g bei über 400 Zyklen herzustellen und Beutelzellen mit stabilen 1.000 mAh auch nach 100 Zyklen.

Das sind Daten, die vielversprechend sind. LeydenJar selbst plant nicht, in die Akkuproduktion an sich einzusteigen, sondern hat das Ziel, ausschließlich das Anodenmaterial und die Ausrüstung für diese Produktion herzustellen und an Akkuhersteller zu lizenzieren.

Es dauert doch noch…

Leider endete die Antwort von Dr. Wim Soppe (ECN) mit einem Satz, der die Euphorie meinerseits wieder dämpfte:

„We guess it will take about 3-5 years before the first commercial batteries with our technology will on the market.“

Es wird also noch drei bis fünf Jahre dauern, bis man Akkus dieser Technologie wird kaufen können.

Das ist hart… schon drei Jahre sind für einen Dampfer mehr als nur eine Ewigkeit. 😉

Aber auf der anderen Seite sind ECN/LeydenJar die einzigen, die mit konkreten mittelfristigen Plänen daherkommen. Alle anderen Forschungsprojekte halten sich diesbezüglich deutlich bedeckter, weil die Entwicklungsprozesse nicht abgeschlossen sind und auch immer wieder neue Stolpersteine auftauchen.

Also müssen wir noch etliche Jahre einen Akkuvorrat mit uns rumschleppen… aber zumindest gibt es einen Hoffnungsschimmer im Hinblick auf den Wunsch nach Akkus mit deutlich höherer Kapazität.

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