Medienstaatsvertrag und DampfTuber

oder: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Entgegen anderslautender Behauptungen hat der aktualisierte Medienstaatsvertrag (MStV) durchaus Auswirkungen auf die DampfTuber. Und das, obwohl das Wort „E-Zigarette“ darin überhaupt nicht vorkommt.

Auf dieses Wort kommt es nämlich auch gar nicht an, sondern auf die restlichen Wörter des Textes. Wer den MStV nur überfliegt, sollte nicht denken, er habe ihn gelesen. Das dauert länger. Ich habe Wochen (nicht am Stück, sondern immer mal zwischendurch… hier ne Stunde, da ne Stunde… und immer mit Nachschlagen in anderen einschlägigen Texten und Urteilen) damit verbracht.

Klar ist, dass sich der MStV nicht an die DampfTuber selbst richtet. Und es gab auch keine Abmahnungen gegen DampfTuber wegen des MStV. Hab ich selbst auch an keiner Stelle behauptet. Die (wettbewerbsrechtlichen) Abmahnungen habe ich immer als WEITEREN Faktor für das Dampfer-Kanal-Sterben erwähnt, weil das Damoklesschwert „Abmahnung“ viele nicht so gut informierte oder selbstbewusste Video-Ersteller dazu gebracht hat, selbst den Kanal zu schließen, Videos zu löschen oder gar ALLE Videos zu löschen (den Kanal wollte man behalten, er ist einem ja so ans Herz gewachsen… auch wenn man da jetzt keine Videos zum Lieblingsthema mehr veröffentlichen mag).

Der MStV nimmt vielmehr den Plattformbetreiber in die Pflicht. DER muss nämlich dafür sorgen, dass die dort angebotenen Inhalte den Bestimmungen auch des MStV entsprechen.

Früher ging es da in erster Linie fast nur um Rundfunk und Fernsehen… also um die Sender und Sendeanstalten. Mit der Neufassung sitzen nun aber auch Betreiber von Video-Sharing-Diensten und Medienintermediäre mit im Boot. So also z.B. auch YouTube.

YouTube bietet nämlich einen Video-Sharing-Dienst an.

Der MStV liefert die passenden Definitionen:

Demnach ist ein…

§2 Abs. 2 Nr. 22
Video-Sharing-Dienst ein Telemedium, bei dem der Hauptzweck des Dienstes oder eines trennbaren Teils des Dienstes oder eine wesentliche Funktion de Dienstes darin besteht, Sendungen mit bewegten Bildern oder nutzergenerierte Videos, für die der Diensteanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit bereitzustellen, wobei der Diensteanbieter die Organisation der Sendungen oder der nutzergenerierten Videos, auch mit automatischen Mitteln oder Algorithmen, bestimmt,

und

§2 Abs. 2 Nr. 23
Video-Sharing-Diensteanbieter, wer einen Video-Sharing-Dienst betreibt,

Damit ist YouTube in der Pflicht! Dabei ist es völlig egal, ob es ums Dampfen oder um das tägliche Mittagessen geht.

Der Unterabschnitt 4 des MStV ist konkret für Video-Sharing-Dienste bestimmt.

In §98 geht es dann um Werbung. Hier wird auf §8 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 7 und 10 sowie auf §6 Jugendmedienschutzstaatsvertrag verwiesen. Den Jugendschutz mal außenvor gelassen (bzgl. Werbung für indizierte Produkte oder Werbung, welche die Jugend gefährden oder schädigen kann), geht es — abgesehen von der Kennzeichnungspflicht für Werbung — um Produktplatzierung und Schleichwerbung. Schleichwerbung und Themenplatzierung sind generell verboten, Produktplatzierung ist in (mal einfach und pauschal gesagt) „Unterhaltungssendungen“ erlaubt, es muss aber zu Beginn und zum Ende des Videos darauf hingewiesen werden. In politischen Sendungen, Nachrichtensendungen etc. UND in Verbrauchersendungen ist auch Produktplatzierung verboten. Das gilt für alle Produkte und damit auch für E-Dampf-Produkte. Werbung für letztere ist eh verboten, aber die Imagewerbung für Hersteller und Shops war bisher noch erlaubt (nun ist aber diese auch aufgrund der Neufassung des TMG, die zu einer Änderung des §20 TabakerzG geführt hat, untersagt).

§ 98 Werbung
(1) Für Werbung in Video-Sharing-Diensten gelten §8 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 7 und 10 dieses Staatsvertrages sowie §6 Abs. 2 und 7 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages.
(2) Der Anbieter eines Video-Sharing-Dienstes hat sicherzustellen, dass Werbung, die von ihm vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, den Vorgaben des Absatzes 1 entspricht.
(3) Der Anbieter eines Video-Sharing-Dienstes hat nachfolgende Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Werbung die nicht von ihm selbst vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wird, die Vorgaben des Absatzes 1 erfüllt:
1. Aufnahme und Umsetzung von Bestimmungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zur Einhaltung der Vorgaben des Absatzes 1 verpflichten,
2.Bereitstellung einer Funktion zur Kennzeichnung von Werbung nach §6 Abs. 3 des Telemediengesetzes.

Doch das ist zweitrangig. Das Problem ist, Produktplatzierung und Schleichwerbung als solche zu erkennen. Und dann hängt es, sofern kein Geld geflossen ist, sondern Produkte kostenlos überlassen wurden, vom Wert ab, der sich auch schlecht einschätzen lässt, zumal die Geringwertigkeit nicht exakt definiert ist.

Macht also ein DampfTuber ein redaktionelles Review (das ist dann eine Verbrauchersendung, bei der auch Produktplatzierung verboten ist)… stellt z.B. einen neuen Verdampfer vor… macht das auch ausführlich und verpasst ihm vor laufender Kamera verschiedene Wicklungen… und nun ist da eine Wickelmatte mit dem Aufdruck eines Herstellers ständig im Bild… das Wickeltool mit Ausglühfunktion und Widerstandsmessung zeigt seine Hersteller und Typbezeichnung im Video und der Reviewer trinkt Kaffee aus einer Tasse mit dem Werbelogo eines Dampfshops, so steht ggf. schon der Vorwurf der Produktplatzierung oder der Schleichwerbung im Raum. Selbst wenn das eigentlich vorgestellte Produkt im Rahmen der redaktionellen Vorstellung legal gezeigt werden darf (muss nicht einmal selbst gekauft sein).

Na ja… man mag denken, YouTube müsste einem nun nachweisen, dass die in Frage stehenden Produkte tatsächlich als eine Art Werbung zu sehen sind, dass da Geld geflossen ist oder die Sachen wertvoll genug sind und kostenlos überlassen wurden, um das Video zu sperren. Nur… das ist gar nicht leistbar. Die verbraten schon extrem viel Personal, um andere verbotene (gesetzlich oder aufgrund der AGB) Inhalte einzeln zu bewerten (nachdem eine KI eine Vorauswahl getroffen hat)… da haben die dafür echt keine Zeit… und keine Augenpaare. Also wird der (meist von einer KI entdeckte oder von netten Mitmenschen gemeldete) Inhalt schnell erstmal vorsorglich gesperrt. Das nennt man Overblocking!

Es werden Videos mit eigentlich komplett legalem und den AGB entsprechenden Inhalt gesperrt, weil es den Anschein hat, es könnte doch nicht in Ordnung sein. Häufen sich die Fälle kann es auch dazu kommen, dass ein solcher Kanal (selbst wenn eigentlich alles ok war) letztlich gesperrt wird.

Und jetzt wird es ganz hart! Bitte setzt Euch! Auch das resultiert aus dem Medienstaatsvertrag und betrifft sehr wohl DampfTuber:

Selbst wenn sich der DampfTuber nun ganz dolle vorbereitet, z.B. ein Review macht, das redaktionell durchgeführt wird, sämtliche Logos, Bezeichnungen etc. auf benutzten Gegenständen (die selbst nicht das getestete Produkt sind) abklebt und meint, nun sei alles ja prima…

Falsch gedacht!

§ 117 Übergangsbestimmung für Produktplatzierungen
§8 Abs.7 und §38 gelten nicht für Sendungen, die vor dem 19. Dezember 2009 produziert wurden.

Er müsste ALLE Videos, die er seit dem 19. Dezember 2009 (also quasi ALLE, denn zu der Zeit ging es ja gerade erst gaaaanz langsam los mit den Videos zum Dampfen) überprüfen, retuschieren und Vorkehrungen treffen, dass sie nicht als schleichwerbungsverseuchter Content angesehen werden.

Die Sache gilt für die Videos also ELF Jahre rückwirkend… und damit (aufgrund der noch jungen Geschichte des E-Dampfens) quasi für ALLES, was man bei YouTube zum Dampfen findet.

Der MStV betrifft also sehr wohl die YouTuber (und Nutzer ähnlich großer Plattformen)!

Wieso habe ich denn dann die alternativer Plattformen empfohlen? Für die würde es doch auch gelten.

Nun, das ist die Besonderheit — vor allem bei den föderierten Systemen: Die sind einzeln nicht so riesig… sie werden erst im Verbund groß und erreichbar. Es besteht kaum die Gefahr des Overblockings… zur Not kann ein Betreiber sogar wirklich noch alle Videos, die andere auf seiner Instanz hochladen, überprüfen. Für den Content, der auf einen anderen Host hochgeladen wurde, kann er nicht verantwortlich gemacht werden. Bei Blockchain-Systemen kann die Beschränkung gar nicht greifen.

Es gibt also Möglichkeiten.

Festzuhalten bleibt: TabakerzG, TMG, MStV und das Wüten der Abmahnvereine sorgen (in unterschiedlichen Anteilen) gemeinsam für das Kanalsterben.

2 Antworten zu „Medienstaatsvertrag und DampfTuber“

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