Steilvorlage für falsche Schlüsse

Nachdem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nach Ankündigung der neuen Liquidsteuer schon vor einem wachsenden Schwarzmarkt gewarnt hatte, legt sie jetzt mit einem Artikel nach. Allerdings bergen diese Schlüsse durchaus Gefahren für uns Konsumenten, weil sie die Politik alarmieren könnte, was aber ein Fehlalarm wäre.

Jetzt muss ich aber mal meine etwas kryptische Aussage erläutern…

In ihrem Artikel vom 13.06.2022, Konsumenten bereiten sich weiter auf Schwarzmarktkäufe vor, schreiben sie

Wie stark die neue Tabaksteuer den Nerv von preissensiblen Verbrauchern trifft, zeigt jetzt auch eine Studie des Bundesverbandes Rauchfreie Alternative e.V., in der Verbraucher zur Besteuerung von schadensminimierten Alternativprodukten zum Tabak befragt wurden. Demnach kennen etwa 80% der Befragten Quellen, um die Besteuerung zu umgehen, oder wollen sich noch weiter dazu informieren. Ein Fünftel räumt unumwunden ein, zukünftig auf schwarzen oder grauen Märkten einkaufen zu wollen, ein weiteres Viertel will dies online außerhalb Europas oder auf Urlaubsreisen tun.

Denn illegale Einweg-E-Zigaretten weisen häufig überhöhte, nicht deklarierte Nikotingehalte auf und enthalten gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe. Gemäß der Befragung gibt nur ein Teil dieser Konsumenten an zu wissen, welche Produkte man gefahrlos nutzen kann. Durch Verunreinigungen, falsche Reinheitsgrade oder Ungewissheiten über die Inhaltsstoffe drohen nicht absehbare Gesundheitsschäden.

Quelle: GdP

Hier zeigt sich, dass man auch auf offizieller Seite auf den zunehmenden Wildwuchs bei den unsäglichen Disposables aufmerksam geworden ist, und es scheint so, dass man vermutet, genau solche und ähnliche Produkte wären die Schwarz- bzw. Graumarktprodukte, die in der Umfrage gemeint waren. Bestärkt wird das durch die Formulierung im Artikel „Geschmacksvielfalt ist wichtig für E-Zigaretten-Nutzer“ des BVRA. In diesem wird zwar nur Bezug auf die ETHRA-Umfrage genommen, aber dort finden sich genau diese Trugschlüsse als vermeintliche Argumentverstärker gegen die Steuer. Die von der GdP erwähnten Zahlen kann man im Artikel Verbraucher fühlen sich von Politik betrogen nachlesen.

Ganz anders der Trend bei den Produkten von alternativen Quellen (grauer oder schwarzer Markt). 58% der Befragten sind offenbar bereit, diesen Weg zu gehen. Und das hätte langfristige Konsequenzen auf die Produktsicherheit, die wir in Deutschland bereits vorbildlich installiert haben.

Produkte jenseits der legalen Bezugsquellen sind wahrscheinlich nicht oder nur unzureichend reguliert und gekennzeichnet. Niemand der Benutzer wird genau wissen, was er sich da gekauft hat und ob das überhaupt zum Dampfen geeignet ist.

Quelle: BVRA

Jetzt mal ehrlich. Wer hat wohl an der Umfrage teilgenommen… also an der Umfrage des BVRA und an der Umfrage der ETHRA?

Richtig! Die Blasendampfer… also die Dampfer aus der Online-Szene. Und wenn die gefragt werden, ob sie sich alternativ versorgen werden, dann meinen sie die Verbrauchsstoffe, die den Löwenanteil der Steuer ausmachen werden, nämlich PG, VG und Lebensmittelaromen. Was sie nicht meinen (oder nur ein Bruchteil, meist Neueinsteiger) sind Fertigliquids, Disposables oder Nikotinlösung aus dubiosen Quellen.

Die Bezeichnung „Graumarkt“ ist in diesem Zusammenhang auch unglücklich gewählt gewesen, denn unter Graumarkt versteht man die Umgehung offizieller Vertriebswege. Würde bedeuten, dass PG bzw. VG „zum Dampfen“ (also so deklariert) über branchenferne Anbieter bezogen würden. Blödsinn! Damit ließe sich die Steuer gar nicht umgehen, denn sobald die Flüssigkeiten dem Dampfen „gewidmet“ sind, müssen sie versteuert werden… auch wenn sie vom örtlichen Kartoffelhändler angeboten werden. Zur Not könnte man noch die Idee, als Dampfshopbetreiber einen weiteren Shop „Seifen- und Kosmetikherstellung, Brausearomen“ zu eröffnen, in dem man dann dampfgeeignete Rohstoffe anbietet, die aber als solche nicht deklariert sind, mit in die Graumarktdefinition quetschen. Aber diese Ideen werden eh nur selten umgesetzt werden… und ich fürchte, damit fallen die paar Geschäftsleute recht schnell mächtig auf den Arsch, denn der Zoll ist auch nicht blöd… und gegen Steuersünder wird in Deutschland mit mehr Energie ermittelt, als gegen Kinderschänder.

Sowohl Fragestellung, als auch Formulierung der gewonnenen Erkenntnisse waren unglücklich. Wie gesagt… die Teilnehmer (und es sollte klar gewesen sein, wen man mit solchen Umfragen erreicht) sind aus der (Online-) Blase… und wenn diese auf die Frage

„Wirst Du Dir Produkte aus anderen Quellen besorgen?“

mit JA antworten, dann meinen sie in erster Linie PG und VG aus offiziellen Quellen in entsprechender Qualität (DAB) oder Aromen aus dem Lebensmittelaromenshop „brausearomen.com“, wobei sie darauf achten, dass keine fetten Öle und kein Zucker drin sind.
Diese Produkte bergen allerdings kaum mehr Risiko, als die jetzt noch in den Dampfshops erhältlichen Waren.

Das Schreckgespenst riskanter, dubioser Waren an die Wand zu malen und dann noch die drohenden Gesundheitsgefahren zu prophezeien, ist die Steilvorlage für ein klassisches Eigentor. Einmal wird das Dampfen in der öffentlichen Wahrnehmung damit in die Nähe von Drogenkonsum auf der Bahnhofstoilette gerückt, das Bild illegaler Drogenküchen in Hinterhofgaragen entsteht in den Köpfen… und andererseits ruft es die Überwacher auf den Plan. Und wenn die sehen und melden, sie könnten das gar nicht überwachen und unterbinden, dann müssen andere Lösungen her. Denkbar wäre ein Verbot offener Systeme… denn wenn man nicht nachfüllen kann, ergibt das Selbstmischen auch keinen Sinn mehr.

Wer glaubt, dass die Jammerei der GdP dazu führen wird, dass die Steuer wieder rückgängig gemacht wird, der glaubt auch an den Osterhasen. Die jammern immer über zu viele Aufgaben bei zu wenig Personal… seit Jahrzehnten… und sie haben damit vollkommen recht (ich weiß wovon ich spreche… war zwar nicht bei denen organisiert, hab den Job aber auch Jahrzehnte gemacht). Gebracht hat das noch nie was.

Die Gestaltung von Umfragen ist ne Wissenschaft für sich. Und im vorliegenden Fall hätte zumindest in diesem Punkt wesentlich feinkörniger und differenzierter abgefragt werden müssen… nur führt das dann dazu, dass die Umfrage umfangreicher wird und nicht in fünf bis zehn Minuten zu schaffen ist… und dann machen da wieder viel weniger mit. Ein Teufelskreis.

Aber zumindest bei der Auswertung bzw. bei der Bewertung sollte man mindestens dreimal überlegen, welche Auswirkungen eine Aussage hat:
Wird das Schreckgespenst dafür sorgen, dass die Entscheidungsträger die Steuer rückgängig machen oder anpassen? Oder wird es ggf. zu weiteren Restriktionen führen? Und wie wirkt das auf die Öffentlichkeit?

Egal… der Drops mit dem Dampfen ist eh gelutscht…

2 Antworten zu „Steilvorlage für falsche Schlüsse“

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