AFAIK 002 – Wattepads auch erst ab 18?

AFAIK

Diverse E-Dampf-Shops (auch einige „Große“) haben wohl ein wenig überreagiert, was die Einhaltung des JuSchG anbelangt. Es gibt Shops, da muss man eine Altersverifikation (wie auch immer… sogar teilweise Schufa) durchlaufen, um ein Akku-Ladegerät, Edelstahldraht, Edelstahlsieb oder gar Muji-Wattepads bestellen zu können. Manchmal prangt auch noch ein 18+ Logo darunter.

Krank, oder? Habe das JuSchG jetzt die Nacht noch zweiundrölfzig Mal ganz durchgelesen, aber nichts über Wattepads gefunden. Scheint also erlaubt zu sein, das auch an Minderjährige zu verkaufen, soweit sie zumindest beschränkt geschäftsfähig sind (§ 106 BGB).

Nun aber mal ein wenig zur Rechtssystematik in Deutschland. In Gesetzen kommen viele Wörter vor, darunter auch Begriffe, die allgemeingültige Definitionen haben, ohne dass diese explizit aufgeführt werden müssten. Sieht der Gesetzgeber jedoch für einen Begriff eine bestimmte Definition vor (die sich vielleicht sogar von der des allgemeinen Sprachgebrauchs und Verständnisses unterscheidet), so wird dieser Begriff häufig im Gesetz definiert (Legaldefinition). Weil viele Gesetze viele gleiche Begriffe enthalten, genügt es, wenn ein bestimmter Begriff in EINEM Gesetz entsprechend definiert wird. Findet der gleiche Begriff in einem anderen Gesetz dann ebenfalls Anwendung und der Gesetzgeber meint dies auch im Sinne der bereits im anderen Gesetz bestehenden Definition, so erfolgt im neuen Gesetz keine erneute Definition (wobei das aber auch vorkommen kann). Hat den Vorteil, dass die Gesetze nicht noch zusätzlich aufgebläht werden. Soll der Begriff abweichend definiert werden, dann muss natürlich auch die neue Definition ins Gesetz oder es wird sich auf die andere Definition bezogen und diese ggf. ergänzt.

Im § 10 Abs. 3 u. 4 JuSchG steht nun

(3) Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse dürfen Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für nikotinfreie Erzeugnisse, wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie für deren Behältnisse.

 

Absatz 3 alleine würde quasi nur bedeuten, dass nur Nikotin-Liquid und bereits vorgefüllte Dampfgeräte dem Verbot unterliegen würden. Durch Absatz 4 kommen aber leider die Begriffe „elektronische Zigarette“, „elektronische Shisha“ und „Behältnisse“ hinzu und das Verbot wird auch auf nikotinfreie Produkte ausgedehnt. Damit ist auch eine unbefüllte E-Dampfe betroffen und unterliegt dem Verkaufsverbot an Minderjährige.

Im JuSchG sucht man nun aber vergeblich nach einer Legaldefinition der „elektronischen Zigarette“. Die findet man jedoch in § 1 Abs. 1 TabakerzeugnisG, der auf Artikel 2 Nummer 16 Richtlinie 2014/40/EU verweist.

Dort steht:

„elektronische Zigarette“ ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks ver­wendet werden kann, oder jeden Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Elektronische Zigaretten können Einwegprodukte oder mittels eines Nachfüll­behälters oder eines Tanks nachfüllbar sein oder mit Einwegkartuschen nachgeladen werden;

Hier kommt nun die „Ersatzteil-ist-gleich-Gesamtheits-Definition“ ins Spiel („jeden Bestandteil dieses Produkts“), die Tricks, wie das Verkaufen von „E-Dampfer-Bausätzen“ verhindern soll.. Allerdings ist man auf dem Holzweg, wenn man nun meint, auch eine Schraube, ein O-Ring, Watte etc. seien nun auch „elektronische Zigaretten“ im Sinne der Definition und damit des Gesetzes. Das gilt selbstverständlich nicht für handelsübliche Teile, die auch (und meist ursprünglich) andere Anwendungszwecke haben. So ist die Logik des Rechtssystems… aber auch der gesunde Menschenverstand sagt einem das. Sonst müsste ja jeder Klempner-Online-Shop eine Altersverifikation für den Verkauf von Dichtungsringen einführen und die Hersteller von Wattepads müssten ihr Produkt die Prüfung durch das BMEL durchlaufen lassen. Quark, oder?

Einzelteile, die also auch andere Anwendungsgebiete haben, sind keine „elektronischen Zigaretten“ im Sinne des Gesetzes und unterliegen auch nicht den Verkaufseinschränkungen des JuSchG. Sie werden auch nicht zu „elektronischen Zigaretten“ alleine dadurch, dass sie von einem Online-Shop verhökert werden, der sich ansonsten auf E-Dampfgeräte und Liquids spezialisiert hat.

Also was hat denn die Shopbetreiber geritten, mir „Muschiwatte“ nur noch gegen Altersnachweis zu verkaufen? Manchmal habe ich den Eindruck, so mancher Shopbetreiber lebt in einer Subraumspalte.

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