Bestandsschutz vor Nachversteuerung? Ja, aber nein!

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Kürzlich stolperte ich über eine Aussage, die sinngemäß zum Inhalt hatte, es würde gegen den Bestandsschutz verstoßen, wenn tatsächlich ab dem 13.02.2023 sämtliche inbesitzgehaltenen Substitute, die vor Inkrafttreten der Liquidsteuer legal steuerfrei erworben wurden, dann nachversteuert werden müssten.

Das klingt zunächst einmal logisch und nachvollziehbar, fällt aber bei näherer Betrachtung (sogar ohne detaillierte juristische Bewertung, sondern allein mit dem gesunden Menschenverstand betrachtet) leider hinten runter.

Wer den Begriff Bestandsschutz hört oder liest, denkt meist zuerst an irgendwelchen baurechtlichen Kram. Das ist auch keine falsche Einschätzung, denn hier liegt der faktische Schwerpunkt. Es geht dabei um Baugenehmigungen, die im Nachhinein nicht einfach wieder zurückgezogen werden dürfen und ein Immobilien-Eigentümer ggf. sein Haus abreißen muss. Das ist ein sehr kompliziertes Gebiet… und nicht das Thema hier.

Auch im Arbeitsrecht hat der Bestandsschutz eine große Bedeutung bezüglich der Rechtsverhältnisse von Arbeitnehmern z.B. nach einem Verkauf einer Firma und auch für den Kündigungsschutz. Auch das ist nicht das Thema hier. 😉

Fündig wird man auch im Verwaltungsrecht. Hier geht es meist um eine mögliche Rücknahme eines ergangenen Verwaltungsaktes zum Nachteil des Betroffenen. Auch sehr kompliziert (eines meiner Fachgebiete)… und ebenfalls nicht zum Thema passend.

Der Bestandsschutz dient dazu, Rechtssicherheit zu schaffen. Es soll niemand durch Gesetzesänderungen nachträglich einen Nachteil erfahren. Man soll sich darauf verlassen können, dass Regelungen auf gesetzlicher Grundlage nicht einfach von jetzt auf gleich rückwirkend den eigenen Rechtsstatus umwerfen.

Würde dieser Schutz uneingeschränkt und unbefristet wirken, bestünde aber die Gefahr, dass auch wirklich sinnvolle und notwendige Gesetzesänderungen für eine eventuell große Gruppe Betroffener keinerlei Wirkung entfalten und ggf. zu Gefahren führen würden.

Deshalb gibt es Schranken für den Bestandsschutz. Fast immer gibt es eine Befristung. Die steht entweder explizit im geänderten Gesetz oder sie ergibt sich aus dem geänderten oder anderen Gesetzen.

Und nun mal zu den Substituten. Hier gibt es nämlich tatsächlich sowas wie einen Bestandsschutz. Die Steuer auf die betroffenen Flüssigkeiten (sämtliche Liquids und Liquidbestandteile, die mit der Zweckbindung „zum Dampfen“ angeboten werden) trat am 01.07.2022 in Kraft. Die faktische Abverkaufsfrist für Produkte, die vor dem 01.07. hergestellt wurden und in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangt sind (also zum Verkauf auch im Lager lagen) ist schon eine Form des Bestandsschutzes.

Ebenso besteht seit dem 01.07.2022 eine Art Bestandsschutz für den Endverbraucher. Der musste nämlich vor dem ersten Juli erworbene Substitute nicht nachversteuern. Aber… aaaber… dieser Bestandsschutz ist halt befristet. Das steht nicht explizit so im Tabaksteuergesetz, ergibt sich aber aus anderen, teilweise später in Kraft tretenden Gesetzen, mit denen EU-Richtlinien umgesetzt werden (mussten!). [1]

Der Bestandsschutz bezieht sich auf das Inbesitzhalten auch(!) durch den Endverbraucher. Legal vor dem 01.07. gekaufte und damit unversteuerte (na… stimmt so nicht ganz… Märchensteuer war eh immer drauf… ich meine hier die Liquidsteuer) Substitute müssen vom 01.07.2022 bis zum 13.02.2023 nicht nachversteuert werden. Hier herrscht also der geforderte Bestandsschutz. Er ist aber zeitlich begrenzt. Auf insgesamt siebeneinhalb (7 1/2) Monate. Danach müsste auch der Endverbraucher die noch vorhandenen, legal erworbenen, unversteuerten Reste an Substituten nachversteuern, um keine Steuerhinterziehung zu begehen.

Die Übergangsfrist von etwas über einem halben Jahr ergibt sich zwar eher zufällig (aufgrund des Inkrafttretens der verschiedenen daran beteiligten Gesetze), ist aber ein durchaus sinnvoller und logischer Zeitraum. Der normale Vaper wird davon nicht geschockt sein, weil seine Vorräte bis dahin eh längst verbraucht sein werden. Die Frist ist lediglich für uns „Freaks“ von Bedeutung. Freaks? Ja, Freaks! Damit meine ich diejenigen (zu denen auch ich gehöre, wobei ich nur die Nikotinbasis vorhalte… alles andere bekomme ich… und ich bin eh nicht davon betroffen, weil ich nicht mehr in Deutschland lebe), die sich einen Vorrat an Substituten zugelegt haben, der möglichst nahe bis ans Lebensende reicht.

Wir „Freaks“ sind aber nicht der Normalfall… nicht einmal in der sogenannten Dampfer-Blase. Der normale Vaper mag bei Inkrafttreten der Steuer einen normalen Vorrat gehabt haben, der für ein paar Wochen oder Monate reicht. Wie man das halt so macht, wenn man Verbrauchsgüter einkauft. Kauft man sich eine 500-Gramm-Packung Nudeln, weil man die Tage Carbonara essen mag und braucht davon nur 250 Gramm, dann hat man halt für eventuell noch längere Zeit die restlichen 250 Gramm Spaghetti im „Bunker“. Wer geraucht hat wird früher eventuell (so war es bei mir und bei vielen Rauchern, die ich kenne) ein, zwei, drei Stangen Kippen gekauft und in den Schrank gepackt haben. Es wurde ein Vorrat angeschafft. Der hielt dann, je nach Rauchverhalten ein paar Wochen. So wie bei Dampfern, die ein, zwei Pullen Base, ein Kartönchen Shots und ein paar Pullen Fills oder Aromen noch vor dem 01.07. gekauft haben. Normale Vorratshaltung für ein paar Wochen oder wenig mehr… sofern man die Patte in der Börse hatte.

Würde ich heute wieder rauchen und müsste ich mir eine Kippenvorrat bis an mein Lebensende anlegen, dann wären das knapp 3.000 Stangen(!!!). Das macht kein Mensch… dafür bräuchte man bis zu 500 Kubikmeter Lagervolumen, das dann auch noch gekühlt, bei gleichmäßiger Luftfeuchtigkeit gehalten und vor Schädlingen geschützt werden müsste.

Man sieht also… es existiert eine angemessene Bestandsschutzfrist. Und… selbst wenn die Vorräte darüber hinaus reichen, muss man dann nicht alles wegkippen und es wird auch nichts weggenommen. Mann müsste den Saft nur ab dem 13.02. korrekt versteuern, wenn man ihn weiter in Besitz halten (und verbrauchen) möchte.

Es geht hier nur darum, dass beim Endverbraucher vorhandene Verbrauchsgüter nach einer vernünftigen Frist versteuert werden müssen. Verbrauchsgüter… also Güter, die man nach und nach eh verbraucht und die am Ende der Frist ohnehin schon längst verbraucht sein werden.

Wer nun irgendwo schreibt, er habe einen Bunker von 50 oder 100 Litern, dann muss er sich auch keine Sorgen machen, dass am 14.02.2023 das SEK die Wohnungstür sprengt, um das unversteuerte Zeug zu beschlagnahmen und den Besitzer zu inhaftieren. Der Aufwand würde sich für den Staat gar nicht lohnen. Die „Freak-Guppe” mag, großzügig geschätzt, aus zweitausend (plus/minus 500) Personen bestehen. Von denen schreiben vielleicht 200 irgendwo, was sie für einen Bunker haben… und davon vielleicht ein Viertel, dass es sich um Substitute und nicht um PG aus dem Chemikalien- oder Viehfutter-Handel handelt. DIESE Aussagen müsste erstmal wer finden. Dann müsste ein riesiger Aufwand getrieben werden, um die Person tatsächlich festzustellen. Die Mühe lohnt auch für den Zoll und den Staat nicht. Wir sind für die eh als Einnahmequelle gestorben. Die personelle Energie wird sich vielmehr bei illegalen Händlern/Importeuren und für illegale Handelswege verbrauchen. Da lohnt es auch. Und bei Fernsehköchen, Plagiatsverkäufern auf Flohmärkten, tausenden Baustellen mit Schwarzarbeitern, privaten oder geschäftlichen Drogenkurieren… etc. etc. etc.

Wer also schreibt, er habe noch einen unversteuerten 5-Liter-Kanister aus einem Dampfshop, dann muss diese Aussage erstmal gefunden werden. Dann muss der ermittelnde Beamte die Serverlogs des Forums anfordern (ggf. mit Beschluss), beim Provider dann mit Beschluss die Bestandsdaten über den Verwender herausbekommen. Den Verdacht irgendwie noch erhärten (ist ja bislang nur Prahlerei in einem Forum… und ob das Zeug überhaupt noch da ist… wer weiß) und schließlich einen Durchsuchungsbeschluss anregen. Jedes Mal muss er dann angeben, es gehe um Steuerschulden in Höhe von 800 Euro. Puuuuh… wem da Übles widerfahren sollte, der sollte anschließend anfangen, Lotto zu spielen.

Und der Forenbetreiber muss sich auch keine Sorgen machen. es ist auch noch kein Papierhersteller als Mittäter verurteilt worden, weil auf dessen Papier ein Erpresserbrief geschrieben wurde. Das Forum würde nach solch einem seltenen Fall auch nicht zum Beobachtungsfall für den Staatsschutz. 😀

tl;dr

  • Bestandsschutz bezüglich Steuerschuld für Substitute ist gegeben.
  • Er ist befristet auf 7 1/2 Monate und endet am 13.02.2023.
  • Für normale Verbraucher ist diese Frist mehr als ausreichend.
  • Für „Verrückte“, die ein Lager für die Lebenszeit eingerichtet haben, ist die Frist selbstverständlich zu kurz. Die müssten theoretisch den Lagerbestand ab Februar nachversteuern, weil auch das Inbesitzhalten durch Endverbraucher zu einer Steuerschuld führt. [1]
  • Das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko ist extrem gering.
  • Das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko, wenn man mit dem Bunker in einem Forum / einer Gruppe prahlt, ist weiterhin extrem gering.
  • Plattformbetreiber, die solche Prahlerei zulassen, haben gar nichts zu befürchten.
[1] Gemeint und beabsichtigt! Und beschissen umgesetzt!

3 Antworten zu „Bestandsschutz vor Nachversteuerung? Ja, aber nein!“

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