oder: Der Zweck heiligt die Mittel
oder: Wat is ne Dampfmaschin‘
Es gibt immer wieder sogenannte „Wissenschaftler“, die sich vor den Karren der ANTZ spannen lassen und Studien durch unzureichende Versuchsmethoden zum „passenden“ Ergebnis führen. Na und es gibt Wissenschaftler, die Studien so durchführen oder so interpretieren, dass sie zu einem eher „spektakulären“ Ergebnis führen, was der PR bezüglich der eigenen Forschung zuträglich ist.
Hier befasse ich mich mit der zweiten Variante… bei der es, so wie es aussieht, vor allem darum geht, eine selbst entwickelte Versuchsmaschine, für die auch ein Patent gehalten wird, öffentlichkeitswirksam zu bewerben: „Schaut mal, wir haben ein Gerät entwickelt, mit dem wir herausgefunden haben, dass Menthol in Liquids wirklich sehr, sehr giftig ist. Wer jetzt noch schnell anruft, kann die Maschine zum Vorzugspreis erwerben. Nur jetzt, nur hier im Teleshop. Ach ja… und wir brauchen noch mehr Fördergelder, damit wir die Maschine noch verbessern können… zwinker, zwinker…“
So, nun aber erstmal zu der sogenannten „Studie“ und den medialen Auswirkungen.
Die Studie trägt den schönen Titel
also
„Mentholgeschmack bei elektronischen Zigaretten steht in Verbindung mit einer erhöhten inhalierten Menge an Mikro- und Submikronpartikeln und einer schlechteren Lungenfunktion bei Rauchern von Verbrennungszigaretten“
Die ersten „Blätter“ machen daraus:
„E-Zigaretten: Tödliche Zigaretten-Alternative? Wissenschaftler warnen vor Zusatzstoff“ (news.de)
„Diese E-Zigaretten-Geschmackssorten sind am giftigsten
In einer aktuellen Studie zeigte sich, dass Produkte mit Minz- oder Mentholgeschmack mehr giftige Partikel freisetzen als andere. Studien, die die Langzeitwirkung von E-Zigaretten untersuchen, sind weiterhin rar.“ (20min.ch) und (lessentiel.lu)
„E-Zigaretten mit diesem Geschmack sind am giftigsten
In einer aktuellen Studie zeigte sich, dass Produkte mit Minz- oder Mentholgeschmack mehr giftige Partikel freisetzten als andere.“ (heute.at)
Aber seid sicher… das wird in den nächsten Tagen noch weitere Kreise ziehen. Berichte über die fürchterliche Schädlichkeit vom Dampfen zieht das Ungeziefer magisch an.
Menthol so gefährlich wie Vitamin-E-Acetat (EVALI)?
Alle drei Artikel kolportieren, dass die Gefährdung durch mentholhaltige Liquids vergleichbar ist mit derjenigen, die von Liquids ausgehen, die mit Vitamin-E-Acetat versetzt sind (sic!).
Ja, Ihr habt Euch nicht verlesen. In den Artikeln ist tatsächlich die Rede davon, dass die EVALI-Zutat, die etliche Todesopfer in den USA gefordert hat und Menthol das gleiche Schädigungspotenzial haben.
Erstaunlich, dass z.B. Philgood noch lebt… der olle „Mentholiker“… und zigtausende langjährige Dampfer, die auch Menthol lieben.
Diesen Hammer haben sich aber die Schreiberlinge nicht selbst ausgedacht. Die Studie legt genau DAS tatsächlich nahe. Und die „Wissenschaftler“ um Kambez H. Benam sind wohl nicht auf die Idee gekommen, mal die Augen für die Realität zu öffnen um zu erkennen, dass diese Aussage schlicht und ergreifend Bullshit SEIN MUSS!
Die „EVALI-Epidemie“ schlug in den USA ein, wie eine Bombe. Pantscher haben THC-haltige Pods auf den Schwarzmarkt geworfen und das Liquid mit Vitamin-E-Acetat gestreckt. Kaum waren diese Pods im Umlauf, landeten zahlreiche Konsumenten auf den Intensivstationen und viele haben schnell den Löffel abgegeben. Ursache und Wirkung lagen in einem sehr, sehr engen zeitlichen Korridor. Und als das Zeug vom Markt verschwand, erledigte sich auch das EVALI-Problem. Eingeschaltet… ausgeschaltet…
Mentholhaltige Liquids gibt es nun aber schon seit weit über zehn Jahren und sie sind seit jeher extrem beliebt, werden also von sehr, sehr, sehr vielen… von abertausenden Dampfern konsumiert. Es wurde aber auch nicht ein einziger Fall bekannt, bei dem EVALI-ähnliche Symptome oder gar Todesfälle infolge des Konsums von Mentholliquids auftraten. Seit weit über zehn Jahren!
Das passt jetzt nicht wirklich mit der Aussage der „Wissenschaftler“ zusammen.
Nun, das ist jetzt eine Sache, bei der einem nicht wissenschaftsaffinen Menschen der gesunde Hausverstand sagt: das kann nicht sein.
Nur… die Studie selbst ist auch nicht viel wert, obwohl da angeblich schon ein recht großer Aufwand betrieben wurde.
HUMITIPAA
Fangen wir mal mit der Apparatur an (die mit dieser Junk-Studie beworben werden soll). Sie hört auf den schönen Namen „Human Vaping Mimetic Real-Time Particle Analyzer“… kurz: HUMITIPAA.
Wat is ne HUMITIPAA? Da stelle mer uns mal janz dumm, und sagen: en HUMITIPAA iss ne große, runde, schwarze Raum. Und der große, runde, schwarze Raum, der hat zwei Löcher. Dat eine Loch, da kömmt der Dampf rein, und dat andere Loch, dat kriegen wa später…
Tatsächlich ist die grundsätzliche Idee der HUMITIPAA gar nicht verkehrt. Viele Jahre mussten wir uns mit Kokelstudien auseinandersetzen und mit Studien, die realitätsferne Verhältnisse analysierten, weil es keine Dampfmaschin‘ gab, sondern nur ne Rauchmaschin‘. Es wurden Rauchautomaten, die für die Untersuchung von Zigaretten entwickelt wurden, mit Atomizern vergewaltigt… und heraus kam halt nur Müll. Jeder, der dampft, weiß, dass man einen Atomizer anders konsumiert, als ne Kippe. Die Züge sind länger und langsamer und erfolgen auch in größeren Abständen. Wer gerade umgestiegen ist, wird sich vielleicht noch daran erinnern, wie beschissen es war, wenn man an dem Pfrunzel gezogen hat wie an einer Nikotinroulade.
Nun hat Benam mit seinen Kollegen tatsächlich eine Dampfmaschin‘ entwickelt. Ich habe mir die Beschreibungen und Artikel über diese Apparatur alle reingezogen, und muss sagen, da haben sie recht ordentliches geleistet. Mit dem Apparat wird das Zugverhalten beim Dampfen wirklich recht realitätsnah abgebildet… und es sind viele Parameter einstellbar. Aber HUMITIPAA ist noch mehr, wie der Name schon vermuten lässt. Es verfügt über eine Einheit, mit der die Partikelanzahl und die Größe der Partikel des erzeugten Aerosols bestimmt werden kann.
Bis dahin alles prima. Cooler Apparillo. Damit kann man was anfangen.
Budenzauber
Nun aber kam Budenzauber dazu! So richtige dumpfe Jahrmarkt-Tricks… bekloppte Aussagen wie aus einer Dauerwerbesendung (und nix anderes ist es auch).
Die „Forscher“ haben sich dann nämlich mal daran gemacht, EVALI-Liquid durch das Dingen zu jagen. Na ja… mag spannend sein, aber ich frage mich ernsthaft, was sie damit herausfinden oder beweisen wollten. Bisher verfügt der Apparat nämlich noch über keine chemische Analyseeinheit. Messen kann man nur Partikel… woraus die bestehen, bleibt im Dunklen. In der „Studie“ schreiben sie auch, dass sie eine entsprechende Einheit dranbasteln wollen (dafür muss das Gerät aber erstmal Gewinne abwerfen oder Forschungsgelder generieren… deshalb ist Werbung nötig… Werbung wie diese „Sensationsstudie“ hier).
Nun stellten sie fest, dass beim Abdampfen von EVALI-Liquid mehr Partikel entstanden, als bei normalen Liquids. Wieso das so ist, scheinen sie auch nicht zu wissen… und ob die Gesamtmasse zugenommen hat, darüber treffen sie auch keine Aussage. Können sie auch gar nicht. Wenn die Partikel (immer dran denken… das ist kein Staub, das sind mikroskopische Flüssigkeitströpfchen… wird später nochmal wichtig) einfach kleiner werden (ob das jetzt kausal am Zusatz von Vitamin-E-Acetat liegt oder eine zufällige Korrelation ist, müsste durch wesentlich mehr identisch durchgeführte Versuchsreihen noch herausgefunden werden… und dann müsste man versuchen, das physikalisch zu erklären), dann hat man mehr Partikel, aber die Masse bleibt gleich.
Die wundersame Brotvermehrung
Sollte es tatsächlich so sein, dass bei Zusatz von Vitamin-E-Acetat bei einem Zug mehr Liquid vaporisiert würde, was ich mir mit meiner naturwissenschaftlichen Grundbildung absolut nicht erklären könnte, dann gäbe es einen guten Tipp für alle, die unter der Liquidsteuer ächzen: Lasst das Menthol weg… dann verbraucht Ihr weniger Liquid… das spart Steuern. 😉 😀
Aber darüber wird gar keine Aussage getroffen. Außerdem geben sie in der Studie ganz offen zu, dass ihre Analyseeinheit keine Partikelzahl für Partikel mit einer Größe unter 300 Nanometer bestimmen kann. Es ist also durchaus möglich und nach meiner Auffassung sogar wahrscheinlich, dass die Anzahl dieser Partikel abgenommen, während die Zahl der messbaren Partikel zugenommen hat. Die Masse bliebe dann, wie zu erwarten, gleich.
Jedenfalls waren es bei ihren paar Messungen bei EVALI-Liquid mehr Partikel in der Größe, die sie bestimmen können, als bei normalem Liquid.
So… und dann haben sie sich auf Menthol-Liquids gestürzt. Und… oh Schreck… auch bei Menthol-Liquids haben sie mehr Partikel (in der von ihnen messbaren Größe… ohne Aussage darüber, ob es bei der nicht messbaren Größe vielleicht weniger geworden sind) im Aerosol gefunden, als bei Liquids ohne Menthol.
Nun haben sie ignoriert, dass Vitamin-E-Acetat ein Öl ist und, weil es von der Lunge nicht ordentlich abgeführt werden kann (aufgrund der öligen Eigenschaft), zu einer Lipidpneumonie führt. Das war der – nach Stand der Forschung wahrscheinlichste – Grund für EVALI. Die Partikelmenge hat damit nix zu tun gehabt. Aber weil sie diese Tatsache ignoriert haben, haben sie einfach beschlossen, dass EVALI an der Partikelmenge im Aerosol liegt. Bullshit!
Na und weil Menthol auch mehr Partikel erzeugt, ist Menthol-Liquid mindestens genauso gefährlich wie EVALI-Liquid mit Vitamin-E-Acetat… meinen sie… und behaupten sie.
Dumpfe Scheinargumente
Um diese Fantasie zu untermauern, kommen sie dann noch mit hanebüchenen Erläuterungen um die Ecke, weshalb das denn so sein muss.
„Eine höhere Partikelzahl erhöht die Masse der in die Lunge gelangenden EC-Aerosole. Es ist bekannt, dass EC-Aerosole viele schädliche Stoffe wie Nikotin und multifunktionelle Karbonylverbindungen, einschließlich Formaldehyd, enthalten. Eine Reihe von In-vitro- und In-vivo-Studien deuten darauf hin, dass EC-Aerosole Lungenentzündungen, oxidativen Stress, DNA-Schäden und eine Hyperreaktivität der Atemwege hervorrufen, einen Übergang von Epithel zu Mesenchym induzieren, die Lebensfähigkeit von Zellen beeinträchtigen sowie die Lungenfunktion und die Immunantwort gegen Krankheitserreger beeinträchtigen können. Daher ist davon auszugehen, dass eine erhöhte Aerosolisierung der EG-Aerosolmenge aufgrund des Zusatzes von Menthol-Aroma mehrere schädliche Folgen für die Lunge hat.“
Es ist „bekannt“, dass die Aerosole viele „schädliche“ Stoffe enthalten (Nikotin wird auch dazugerechnet, obwohl es der Lunge nun echt nicht schadet). Und mehr Partikel ist gleich mehr Masse ist gleich mehr schädlich. Dass sie die Gesamtmasse nicht berücksichtigt haben (weil sie es noch nicht können), schieben sie mal locker beiseite. Die Menge der enthaltenen Schadstoffe hängt nämlich von der Gesamtmasse ab. Und dass die gefundenen, tatsächlich schädlichen Stoffe, weit, teilweise sehr weit unter allen Grenzwerten liegen, interessiert auch nicht.
Aber das reicht noch nicht. Sie legen noch ne Schippe drauf!
„Eine größere Anzahl von Partikeln, die von einem EC erzeugt werden, kann mit einer verstärkten Ablagerung im Atmungsbaum korrelieren und somit die Wahrscheinlichkeit einer Lungentoxizität erhöhen.“
Ablagern! Klasse! Partikel bedeutet nicht, dass es sich um Feststoffe handelt. Hier werden winzige Flüssigkeitstropfen in ein feuchtes Medium (die Lunge ist keine staubige Rauhputzwand) eingebracht. Das, was davon nicht wieder exhaliert wird, wird durch die Lunge wieder abgeführt. Dafür gibt es spezielle Zellen. Nicht ganz so einfach ist es für die Lunge, Feststoffe abzuführen. Und mit Ölen hat sie so ihre liebe Müh (ein Grund für EVALI). Würden sich Flüssigkeitspartikel in der Lunge dauerhaft oder für längere Zeit „ablagern“, dann würden wir nach einem Spaziergang im Nebel wohl innerlich ertrinken.
Ich weiß, dass ich nichts weiß
Der Tenor in der „Studie“ ist, dass sie mit ihrer Maschine nun ganz genau wüssten, was so in der Lunge eines Dampfers passiert. Neee… wissen sie nicht! Das ist halt ne große, runde, schwarze Raum und keine Lunge. Da gibt es keine Zellen!
„Eine weitere Einschränkung unserer experimentellen Studien besteht darin, dass wir uns nur auf die physikalischen Eigenschaften der inhalierten Partikel konzentriert haben. Die chemische Zusammensetzung der Partikel nach der Zugabe von Menthol-Aromen kann ebenfalls eine wichtige Rolle bei der späteren Lungentoxizität spielen.“
Die Wirkung der Partikel auf lebende Zellen wurde genau so wenig untersucht, wie die chemische Zusammensetzung an sich. Damit kann und darf man keine toxikologische Bewertung abgeben.
Klinische Studie ohne Belang
Um dem ganzen noch etwas mehr „wissenschaftlichen“ Anstrich zu geben, haben sie auch noch eine klinische Studie eingewirkt. Die taugt aber nicht einmal im Ansatz dazu, irgendeine ihrer Aussagen zu belegen. Die enormen Schwächen der klinischen Studie geben sie dann auch selbst unumwunden zu. Darauf gehe ich jetzt hier echt nicht ein. Der Teil darf getrost ignoriert werden.
Schön verteilt in der „Studie“ finden sich immer wieder Hinweise darauf, dass sie die Apparatur weiterentwickeln und um Analysemodule zu genau diesen Zwecken erweitern wollen.
War halt ne Werbemańahme
Ja… warum seid Ihr denn nicht erst an die Öffentlichkeit gegangen, wenn Eure Maschin‘ so komplett ist, dass sie für verlässliche und belegbare Aussagen geeignet ist? Ist der reißerische Inhalt womöglich eher dafür gedacht, Geldgeber für die Fertigstellung auf das Dingen aufmerksam zu machen? Für mich sieht es so aus.
Was die Presse aus solch halbgaren und unwissenschaftlichen Veröffentlichungen macht, das wissen wir alle. Ich hoffe, dass zumindest meine Leser die „Studie“ nun richtig einordnen können.
Eins muss ich den „Forschern“ zugutehalten: Der Begriff „Gift“ taucht in der Studie nicht auf… das hat die Presse klickbaitend selbst in die Überschriften gebastelt.
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