Neee! Bitte nicht! Hört einfach auf!
Da jammere ich ständig, dass der einzig verbliebene Konsumentenverband nix macht… anstatt froh zu sein. Allerdings hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass man in der Verbandsführung nicht in der Lage ist, weiter zu sehen, als bis zur eigenen Nasenspitze.
Froh verkündet der BVRA von einer Videokonferenz mit zwei Stabsmitarbeitern des Bundesdrogenbeauftragten. Es habe da sogar eine „überraschend konstruktive“ Wende gegeben.
Offener Austausch mit Büro des Bundesdrogenbeauftragten (arch)
Ich hab die Wende gesucht, aber irgendwie nicht gefunden. Der Bericht vermittelt vielmehr das Gefühl, dass den beiden Stabsmitarbeitern in dem Gesprächsteil über mögliche Aromeneinschränkungen wieder einmal das erzählt wurde, was diese bestimmt nicht zum ersten Mal gehört haben, nämlich dass die Aromenvielfalt kein besonderer Einstiegsgrund für Minderjährige ist und Einschränkungen die Gefahr bergen, die THR durch das E-Dampfen zu verhindern.
Das wird ja nun schon seit längerer Zeit (und auch von renommierterer Seite) immer wieder angebracht. Trotzdem scheint zumindest der Leiter des Arbeitsstabs, Dr. Pietsch, Aromenbeschränkungen als probates und angebrachtes Werkzeug anzusehen.
Gewendet hat sich da – zumindest nach der Schilderung im Artikel – nichts.
Auch beim Thema Tabaksteuer habe ich keine „Wendung“ gefunden. Mag sein, dass man im Stab die Besteuerung von nicht nikotinhaltigen Flüssigkeiten kritisch sieht, aber nach der Schilderung sind dahingehend keine Änderungen zu erwarten.
Also musste sie wohl beim dritten Themenbereich, den elenden Disposables, kommen, die „überraschend konstruktive“ Wende.
Dass man sich einig im Thema Disposables ist, das war doch vorhersehbar. Und auch dass ein generelles Verbot auf EU-Ebene nicht möglich ist, sollte keinen mehr überraschen. Dann kam der BVRA-Vorsitzende Bauer mit seiner Idee um die Ecke, einfach mal Disposables viel, viel höher zu besteuern… also das Liquid darinnen. Das habe bei Alkopops doch auch ganz prima geklappt.
Und weil man im Stab an sowas noch nicht gedacht hatte, hat der BVRA ein „Arbeitspapier“ (arch) für die Herrschaften erstellt, das diese nun in die Diskussionen mit den Gesundheitspolitikern der Fraktionen einbringen können.
Gut… nach der Wendung werde ich dann wohl noch weiter suchen müssen. Es sei denn, man sieht es als „überraschen konstruktive“ Wendung an, dass die Stabsmitarbeiter die Idee in die politische Diskussion einbringen wollen.
Aber nun hat mich natürlich das „Arbeitspapier“ interessiert. Wollen wir doch mal sehen, wie da seitens des BVRA argumentiert und welche Vorschläge gemacht werden.
Ich öffne also das PDF und falle vom Glauben ab!
Schon bei der Aufzählung der Probleme, welche die Liquidsteuer mitbringt, nehmen sie den sprichwörtlichen Zaunpfahl und winken damit in der Gegend herum. Die mengenmäßig wichtigsten Bestandteile der Liquids für das Selbstmischen würden im Fachhandel jetzt hunderte Euro kosten, während die selben Produkte im Handel „außerhalb“ für niedrige zweistellige Beträge zu bekommen seien.
Wenn es nicht eh schon längst jeder in der Politik wusste, weiß es jetzt aber auch der Letzte. Der freie Markt für gewisse Produkte ermöglicht es selbstmischenden Dampfern, die Steuer nahezu komplett zu umgehen.
Dass sich die Steuer bei Einwegprodukten aufgrund der geringen Füllmenge gut verstecken lässt, mag vielleicht noch den einen oder anderen überraschen, aber im Endeffekt ist es aus fiskalischer Sicht völlig egal. Flüssigkeit aus dem Handel mit Substituten werden konsumiert und bringen je Milliliter die gleiche Kohle, ob nun in einem Dutzend Disposables oder in einer kleinen Pulle.
Im dritten Punkt fällt dann zum ersten Mal der Begriff „Graumarkt“. Nun, ein Graumarkt für Disposables ist für mich nicht erkennbar ein Problem. Und das werden auch die Politiker nicht anders sehen. Also kann es nur um den Graumarkt gehen, der bezüglich der nikotinfreien Teilprodukte besteht.
Jedenfalls sei die Verfügbarkeit gerade der Disposables im Handel außerhalb des Dampfer-Fachhandels ein Problem, der zum Sterben des Fachhandels beitrage. Das ist kein „Graumarkt“… also kann der „Graumarkt“ nur beim Erwerb der Selbstmischprodukte bestehen. Aber auch der lasse den Fachhandel natürlich leiden.
Die Verdrängung des Fachhandels wiederum habe zu Jugendschutzproblemen geführt. Im Fachhandel werde dieser einfach besser beachtet, währen es im sonstigen Handel wohl einfacher sei, dass Minderjährige an solche Produkte kommen.
Die Verschiebung in der Grau- und Schwarzmarkt wiederum sei auch schlecht für den Fiskus, weil diesem da jede Menge Steuergelder durch die Lappen gingen.
Dann folgt Blah-Blah zu den Umweltproblemen… und es wird nochmal gesagt, dass ein Verbot der Produktgruppe „Disposables“ mit EU-Recht nicht so einfach zu vereinbaren ist. Die EU wolle zwar eine Lösung finden, aber das würde noch Jahre dauern.
Schließlich sei der zu geringe Abstand der Liquidsteuer zur Tabaksteuer mit dafür verantwortlich, dass die Raucherquote nicht schneller sinke.
Ok… die Probleme haben sie aufgezählt. Und den „Graumarkt“ (damit meinen sie den Erwerb von Base-Bestandteilen wie PG, VG und Wasser, sowie von Aromen aus Quellen außerhalb des Fachhandels und damit auch ohne Steuern) haben sie schon mal ins Spiel gebracht. Die anderen Probleme werden den Entscheidungsträgern sicherlich schon bekannt gewesen sein, aber die „Graumarkt-Problematik“ wurde ihnen damit mal schön aufs Silbertablett gelegt.
Na und dann folgen die Lösungsvorschläge!
Es solle bezüglich der Steuer zwischen Flüssigkeiten zum Nachfüllen und vorbefüllten Kartuschen (als Pods oder als Disposables) unterschieden werden.
Die Steuer solle mit dem Stand vom 01.01.2024 eingefroren werden, nämlich bei 20 Cent je Milliliter.
Es sollten bei Nachfüllflüssigkeiten nur noch nikotinhaltige Flüssigkeiten besteuert werden.
Bei nicht nachfüllbaren, vorbefüllten Systemen sollte ein Faktor von ca. 30 auf den Steuersatz aufgeschlagen werden.
Und dann werden die Lösungsvorschläge begründet…
Die Differenzierung zwischen Nachfüllflüssigkeiten und befüllten Kartuschen würde ja genau die Disposables ins Visier nehmen und könnte deren Attraktivität über den dadurch sehr, sehr hohen Preis komplett mindern.
Jau… das wäre wohl ein Effekt. Ich weiß nur nicht, ob sie (schneller als die EU ein Disposables-Verbot erarbeitet) ein neues TabStMoG mit dieser Differenzierung (sauber und ohne Schlupflöcher) hinbiegen können… und ob die Regierung dafür überhaupt Zeit hat… und Interesse. Ich denke, eher nicht. Egal…
Das Einfrieren auf der zweiten Stufe des Liquidsteuersatzes würde im Laufe der Zeit den Abstand zwischen Tabakprodukten und Liquids vergrößern. Das wäre doch toll. Das könne der Tendenz der Verschiebung in den „Grau- und Schwarzmarkt“ entgegenwirken.
Mal ehrlich… das glaubt der BVRA doch selbst nicht wirklich! Ein Liter Flüssigkeit kostet dann 200 Euro Steuern. Wenn ich da bis zu 90 % am Endprodukt sparen kann, wenn ich mich beim Grau- oder Schwarzmarkt versorge, dann gehe ich nicht zurück in den Fachhandel, nur weil Kippen jetzt noch viel teurer geworden sind.
Und mit der Begründung zu Punkt drei kommt jetzt der absolute Hammer! Merken die gar nichts mehr?
Weil auch niktoinfreie Flüssigkeiten besteuert würden, sei es zu massiven Abwanderungen in den Graumarkt gekommen. Die hauen also raus, dass sich die (selbstmischenden) Dampfer jetzt an der Steuer vorbei nur noch im Chemikalien- (oder sonstigen) Handel versorgen würden. Und das könne der Staat nicht durch Vergällen oder Kontrollen verhindern.
Na Dankeschön! Prima gemacht! Schön denjenigen, die sie vertreten sollen, nämlich den Konsumenten, einen großen Haufen vor den Koffer geschissen. Und auch gleich mal die Aussichtslosigkeit bisheriger staatlicher Maßnahmen auf die Stulle geschmiert.
„Wie jetzt“, werden die Entscheider nun denken, „wir können da nix machen?“ Und denen wird auch einleuchten, dass ein Einfrieren des Steuersatzes daran nix ändern wird, wenn diese Produkte nicht wieder aus der Besteuerung genommen werden. Sie wissen aber, wie es von den Stabsmitarbeitern in dem Gespräch mit dem BVRA unmissverständlich mitgeteilt wurde, dass die neue Steuer vornehmlich fiskalpolitischen Gründen eingeführt wurde (Sicherung der Steuereinnahmen). Da wird nix zurückgenommen. Der Staat braucht das Geld!
Ja und dann wird ihnen – die WHO treibt das ja gerade voran – einfallen, dass es ja doch eine Möglichkeit gibt, dem einen Riegel vorzuschieben: Das Verbot offener Systeme. Also das Verbot nachfüllbarer Atomizer. Wenn man die nicht nachfüllen kann, dann braucht man auch nicht mehr zu mischen. Zack… Problem gelöst und man bekommt von der WHO auch noch ein FTCT-Fleißbienchen.
Die bekloppte Idee, vorbefüllte Pods extrem hoch zu besteuern, müsste man dann fallen lassen… und die Disposables? Ach… das regelt die EU doch eh in den nächsten Jahren, das schaffen wir vorher auch nicht.
Resultat: Beschränkung des Marktes auf vorbefüllte Pods und Disposables (die dann irgendwann von der EU verboten werden). Diejenigen, denen das Dampfen der teuren Pods dann zu teuer wird, können statt Brot ja Kuchen essen oder einfach wieder rauchen. Ja, sollen sie rauchen… das bringt doch auch prima Steuereinnahmen und freut auch die Pfroinde von der Pharmalobby deren Einnahmen durch Krebsmedikamente und nutzlose Entwöhnungsmittel weiter gesichert sind.
Echt… es wäre mir lieber, wenn der BVRA mal besser nix mehr macht. Man muss doch einfach nur einmal BEVOR man sowas raushaut, nachdenken, welche Folgen so ein „Arbeitspapier“ haben kann, was davon realistisch umsetzbar ist und was nicht, und auf welche Ideen man den Gesetzgeber und die Regierung bringt. Zur Not – man ist ja gerne auch mal betriebsblind – sollte man, bevor man es versendet, einen oder zwei neutrale und vertrauenswürdige Externe drüberschauen lassen und mal hören, ob sie irgendwelche gefährlichen Stellen finden.
Bitte hört auf damit! Ihr macht alles kaputt!
Bildquellen Screenshots: BVRA e.V.
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