Kotau vor dem Zeitgeist

…oder: Die Angst vor der Kontaktschuld

Ich weiß jetzt nicht, ob ich lachen, weinen oder erleichtert aufatmen soll.

In seinem aktuellen öffentlichen Newsletter (arch) teilt der BVRA mit, dass er seine Teilnahme an der Sitzung des EU Unterausschusses für öffentliche Gesundheit Anfang Dezember in Brüssel abgesagt hat.

Im Newsletter Nr. 23 (arch) wurde die Teilnahme angekündigt. Nun aber wurde die Teilnahme, die auch einen fünfzehn-minütigen Wortbeitrag des Vorsitzenden Simon Bauer beinhaltete, abgesagt.

Puuuh… dann kann ja nix schiefgehen. Das Arbeitspapier, das sie in Deutschland der Politik zur Verfügung gestellt haben, hat mir schon Angst vor weiteren Vorstößen auf der politischen Bühne gemacht. Das spräche für „erleichtertes Aufatmen“. 😉

Also abgesagt. Hmmm, aber weshalb nur?

Es wäre eine tolle Gelegenheit gewesen, einmal direkt mit EU-Parlamentariern über Harm Reduction und die TPD zu reden. Die Reisekosten hätte Brüssel für die Sprecher übernommen.

Am Geld kann es also nicht gelegen haben. Am Zweck wohl auch nicht.

Die Einladung erfolgte übrigens durch das Mitglied des SANT Unterausschusses (EU Unterausschuss für öffentliche Gesundheit), Johan Nissinen. Und genau das war wohl auch der Grund für die Absage. Plötzlich habe sie wohl gemerkt, welch „schlimmer Finger“ sie da eingeladen hat. Gemerkt? Oder wurden sie von irgendwem deswegen angepisst? („Da könnt Ihr nicht hin! Schaut doch nur mal, das ist doch quasi ein Nazi, der Euch da eingeladen hat. Danach wärt Ihr verbrannt.“)

Jedenfalls fiel ihnen auf, dass der Herr Nissinen Mitglied der Schwedendemokraten ist (oooh… das ist ja fast so schlimm wie die AfD) und als solcher auch Mitglied der EU-Parlaments-Fraktion „ECR“, einem konservativen Zusammenschluss von Parteien, zu denen auch die polnische PiS, die italienische Fratelli d’Italia, die spanische VOX und andere konservative Kräfte gehören.

Oweh. Nein, von so einem kann man sich natürlich nicht einladen lassen. Was sollen denn die Nachbarn denken? Es droht Kon-takt-schuld! Spiel nicht mit Schmuddelkindern!

Da ist es egal, wenn man eine Gelegenheit, den EU-Parlamentariern (also denen, die dafür zuständig sind) die Idee der THR aus Konsumentensicht nahezubringen, verstreichen lässt. Was ist schon THR im Verhältnis zu einer nicht-nur-sauber-sondern-reinen Weste? Das Image ist doch wichtiger!

Und genau dieser Grund wird im Newsletter auch deutlich kommuniziert.

Aber das Risiko erscheint uns tatsächlich viel zu hoch. Schon ein Bild (handshake mit einem Rechtskonservativen) könnte uns gewaltig ins Rad laufen.

Wären sie z.B. von Frau Anja Hazekamp (NL – Die Linke) oder Frau Tilly Metz (LU – Die Grünen) oder Herrn Andreas Glück (DE – Liberaldemokraten) eingeladen worden, dann hätte es vermutlich keine Probleme gegeben. Aber mit Rechtskonservativen darf man sich nicht zeigen. Damit wäre man verbrannt, meinen sie. Werfen wir uns vorsorglich mal schnell in den Staub vor dem herrschenden linken Zeitgeist.

Konservative? Igitt!

Sie möchten nicht „im Zusammenhang mit dieser politischen Ausrichtung in Deutschland wahrgenommen werden„. Nachher will kein Politiker in Deutschland mehr was mit ihnen zu tun haben.

Um uns nicht geöffnete Türen zuzuschlagen oder in eine unerwünschte Ecke gestellt zu werden, haben wir uns dazu entschlossen, die geplante Teilnahme und Rede wieder abzusagen.

Mal ehrlich: Das juckt die paar Politiker, die sich ab und an mal mit Vertretern des BVRA treffen, mit Sicherheit gar nicht. Das sind eh nur Alibi-Veranstaltungen. An die wirklich wichtigen Protagonisten kommt so ein Nischenverein nicht ran. Ob sie nun einem Konservativen die Hand schütteln, oder nicht.

Aber gut ist es trotzdem. Wer weiß, was da „geredet“ worden wäre bei der Rede vor SANT.

Es zeigt aber, wie sehr sich der Verband, den keiner kennt, überschätzt und wie aalglatt sie nach außen agieren. Ein gutes Image ist halt wichtiger, als die Sache an sich… selbst wenn man gar kein Image hat.

Teile im Fediverse
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4 thoughts on “Kotau vor dem Zeitgeist

  1. In diesem einen Fall muss ich dem BVRA recht geben, man diskutiert einfach nicht mit Rechten und lässt sich schon gar nicht von Ihnen für politische Zwecke nutzen. Schon um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, kann es keine andere Entscheidung geben. Hier ist es wichtig zwischen Konservativen und Rechten zu unterscheiden, besser gesagt zwischen Demokraten und Menschen, die eine andere Ordnung anstreben.
    Es ist schade um die Möglichkeit, aber ist dies überhaupt eine echte Möglichkeit unsere Belange vorzubringen?
    Man muss hier keinem „Zeitgeist“ folgen oder „sich in den Staub werfen“, man sollte in dieser Zeit aber ein Demokrat und Menschfreund bleiben, das ist weder links, aber ganz sicher nicht rechts. Wir sollten einfach weiter sein, als dem Trend nach rechts zu folgen.
    Auch wenn es mir schwer fällt, spreche ich dem BVRA diesmal ein Lob aus.

    1. man diskutiert einfach nicht mit Rechten

      Nach der Logik wäre also keine Einladung zu SANT anzunehmen, egal wer sie ausspricht. Dann es gibt nunmal Rechte in diesem Ausschuss. Und die wird man bei seiner Rede und einer eventuellen anschließenden Aussprache nicht aussperren können.

      Es ging doch darum, dem Ausschuss seine Sicht der THR darzulegen (ein Thema, dass da offenbar noch nicht wirklich angekommen ist, wenn man sich die angedachten Neuregulierungen anschaut). Und ich denke auch nicht, dass die Schwedendemokraten Simon irgendwas hätten in die Rede diktieren können.

      …aber ist dies überhaupt eine echte Möglichkeit unsere Belange vorzubringen?

      Na sicher… s.o.

      Wenn alles außer Rechts und Links Demokraten und Menschenfreunde sind, dann sind im Umkehrschluss alle Linken und Rechten also Antidemokraten und Menschenfeinde? Dann bleiben in Deutschland nur noch FDP und CDU als Denokraten und Menschnfreunde übrig, denn alles andere ist ja Links oder Rechts (wobei die CDU auch links angekommen ist, sich nur nicht selbst so einordnet… und die FDP ist ne Nutte, die für die Machtteilhabe mit jedem ins Bett springt).

      Mir zeigt das ganz deutlich, dass die politische Orientierung inzwischen völlig abhandengekommen ist. Rechts ist alles was nicht Links ist. Und Links ist die menschenfreundliche, denokratische Mitte. Dabei ist die Unterscheidung eigentlich nicht für gut und schlecht gewesen, sondern dafür, die ideologische Ausrichtung anzugeben. Die progressiven Linken und die konservativen Rechten. Nicht mehr und nicht weniger. Nur die Grenzen sind heute verschoben.
      Nach Definition ist man als Konservativer ein Rechter. Aber Rechte sind inzwischen ja böse und „streben eine andere Ordnung an“.

      Meine Meinung: Der BVRA biedert sich diesem kranken Zeitgeist in meinen Augen mit der Absage an. Das finde ich persönlich unappetitlich.

      1. Nach meiner Logik ist jede Einladung durch Rechtspopulisten oder Rechtsradikale abzulehnen, da sich bei diesen Menschen immer die Frage der Intention stellt. Inwieweit man mit diesen dann in einem Ausschuss auf demokratischer Basis diskutiert oder sie ihre Rede halten lässt und dann konstruktiv weiter arbeitet, bleibt dem Einzelfall überlassen.

        Das Problem dieser Populisten und Schlimmeren ist der Unterschied zwischen den Worten und der Agenda, die da hinter steht. Ich erwarte nicht, dass die Schwedendemokraten Simon die Rede diktieren, aber was machen die daraus, dass er auf ihre Einladung dort gewesen wäre? Ich glaube, genau dies sind auch die Ängste des BVRA. Und genau hier stellte sich auch mir die Frage, ob es etwas bringt, wenn man später für politische Zwecke benutzt wird.

        Dass alle Linken und Rechten keine Demokraten sind habe ich nicht geschrieben, wobei ich dies bei Rechtspopulisten und Radikalen schon in Abrede stellen möchte. Dies zeigt die Geschichte und auch die aktuelle Entwicklung, wie war es noch um die demokratische Entwicklung in z.B. Ungarn und Italien gerade bestellt?

        Über deine Ergüsse über Links und Rechts und die Stellung von Parteien lasse ich mir hier jetzt lieber nicht aus, denn es geht um unser Thema „Dampfen“.

        1. …wie war es noch um die demokratische Entwicklung in z.B. Ungarn und Italien gerade bestellt?

          Italien, keine Ahnung, höre aber nichts wirklich schlechtes. Und hier in Ungarn ist alles bestens mit der Demokratie.

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