Noch nicht offiziell veröffentlicht, noch nicht wissenschaftlich diskutiert (kein Peer-Reviev)… also völlig ungelegte Eier… aber aufgeblasen angerissen und darüber berichtet: eine Studie, die „belegen“ soll, dass das Dampfen mit Nikotin genauso schädlich sei, wie das Tabakrauchen, weil es vermeintlich die Blutgerinnung fördert und Blutdruck und Herzfrequenz steigert.
Die Posaune trötete bei einer Slideshow auf dem European Respiratory Congress (ERS) International Congress am 6. September 2021. Hier wurde fünf Minuten lang bei einer Präsentation von der — ich wiederhole mich — noch nicht veröffentlichten und wissenschaftlich noch nicht diskutierten bzw. begutachteten Studie dargestellt, dass nach den Erkenntnissen des durchführenden „Wissenschaftlers“ Dr. Gustaf Lyytinen das Dampfen nikotinhaltiger Liquids einem sofortigen(!) Auftreten von Blutgerinnseln führe, kleine Blutgefäße versteife und erhöhten Blutdruck und Herzfrequenz verursache.
Wie die Studie durchgeführt wurde, wurde nur ganz knapp umrissen. Und selbst diese spärlichen Informationen lassen an der Aussagekraft der Studie eher zweifeln.
Inoffiziell veröffentlicht wurden ein paar Krumen, die man hier nachlesen kann: Oral presentation Tobacco and nicotine research during the pandemic
Nikotinhaltige elektronische Zigaretten erhöhen die thrombotische Aktivität und beeinträchtigen die Mikrozirkulation.
Gustaf Lyytinen, Amelie Bryndal, Erik Anesäter, Lukasz Antoniewicz, Anders Blomberg, Håkan Wallen, Jenny Bosson, Linnea Hedman, Fariborz Mobarrez, Sara Tehrani, Magnus Lundbäck
Hintergrund und Ziele: Das Dampfen von elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten) erfreut sich zunehmender Beliebtheit, obwohl es immer mehr Hinweise auf gesundheitsschädliche Auswirkungen gibt. Um die Auswirkungen des Konsums von E-Zigaretten auf die Gefäßgesundheit weiter zu bewerten, haben wir die Auswirkungen der akuten Inhalation von E-Zigaretten auf die Hämostase und Mikrozirkulation bei gesunden Freiwilligen untersucht.
Methoden: Die Studie wurde in einem doppelblinden, randomisierten Crossover-Verfahren durchgeführt. Zweiundzwanzig gesunde junge Gelegenheits-Tabakkonsumenten inhalierten 30 Züge EC mit oder ohne Nikotin mit einer Auswaschphase von einer Woche. Blutproben wurden zu Beginn der Studie sowie 15 und 60 Minuten nach der Exposition entnommen und mit einem System zur Analyse der Gesamt-Thrombusbildung untersucht. Es wurden zwei verschiedene Chips verwendet, die eine fibrinreiche Thrombusbildung und eine Thrombozyten-Thrombusbildung simulierten. Die Mikrozirkulation wurde zu Beginn und 30 Minuten nach der Exposition mittels Laser-Speckle-Kontrastbildgebung und Iontophorese von Acetylcholin und Natriumnitroprussid (SNP) untersucht, um die endothelabhängigen und -unabhängigen Signalwege zu bewerten.
Ergebnisse: Die EC-Exposition mit Nikotin hatte mehrere Auswirkungen im Vergleich zu EC ohne Nikotin: Die Bildung von Thromben aus Blutplättchen und die Bildung von fibrinreichen Thromben nahm nach 15 Minuten (p=0,011 bzw. p=0,035) nach der Exposition signifikant zu und normalisierte sich nach 60 Minuten. Außerdem war der SNP-vermittelte mikrovaskuläre Spitzenfluss, d.h. die endothelunabhängige Vasodilatation, nach dem Dampfen von EC mit Nikotin reduziert (p=0,009).
Schlussfolgerungen: Dreißig Züge nikotinhaltigen EC-Dampfes haben bei gesunden Freiwilligen akute negative Auswirkungen auf die thrombotische Aktivität und die endothelunabhängige Mikrozirkulation. Beim EC-Dampfen ohne Nikotin wurden keine zwingenden Auswirkungen beobachtet, was auf Nikotin als Hauptverursacher hindeutet.
Hier stehen erstmal nur unbelegte Behauptungen im Raum. Die Parameter bei der Durchführung der Studie sind nicht bekannt. Vor allem im Bereich der vermeintlichen Thrombusbildung bleibt man völlig uninformiert, was da wie überprüft wurde. Die Angelegenheit mit der computergenerierten Thrombus-Simulation klingt mehr als dubios.
Was die kurzfristige Blutdruck- und Herzfrequenzerhöhung anbelangt: Ja, das war doch schon bekannt… ist so wie auch beim Kaffee oder beim Sex. 😉
Kurzfristig und reversibel halt. Beim Joggen übrigens auch…
Renommierte Wissenschaftler (Dr. Adam Jacobs, Dr. Jamie Hartmann-Boyce, Prof. Peter Hajek, Prof. John Britton) haben auch bereits reagiert und die Studie, deren Durchführung, die Präsentation und vor allem die daraus gezogenen Schlüsse kritisiert.
Aber… es ist wie es immer ist… es läuft wie es immer läuft… die deutsche Presse springt auf den Geisterzug auf. Auf die Poleposition hat es das Online-Portal der Welt der „Wissenschaft‘ geschafft: „Auch E-Zigaretten beeinflussen die Blutgefäße“ titeln sie und schreiben kritiklos über den Inhalt der hohlen Präsentation, als wären es gesicherte Erkenntnisse. Was besonders verwundert ist, dass die „Studie“ auf der einen Seite das pöhse Nikotin als Verursacher bestimmt, gleichzeitig aber nikotinhaltige Pflaster oder Kaugummis als Therapie empfohlen werden. Die Logik dahinter erschließt sich mir nicht.
Wir MÜSSEN damit rechnen, dass diese Sau in den nächsten Tagen und Wochen durch die Presse getrieben wird… und ich hoffe, dass viele Dampfer richtig reagieren, wenn sie darauf angesprochen werden. Na ja… die Hoffnung stirbt zuletzt.
Schreibe einen Kommentar