Formaldehyd… oooh, grauenhaft, daran stirbt man und Krebs macht es auch…
Acetaldehyd… aaargh, fürchterlich, davon bekommt man Krebs und es greift Herz und Leber an, das bringt Dich um…
Benzaldehyd… oje, voll mutagen, das Zeug…
PCB und PCP… au weia, damit vergiftet man sich nach und nach… Chlorakne… entsteht das nicht beim Erhitzen von… Sucralose?
Sucralose, auch voll schlimm das Zeug, das erzeugt ganz fiese Schadstoffe, sowas wie Dioxin, mit denen man sich nach und nach umbringt…
Chrom… boah, Chromverbindungen sind voll giftig und sie schädigen die DNA…
Diacetyl… uiuiui, da kriegt man doch die Popcornlunge von und erstickt irgendwann elendig…
…
Es gibt ne menge Dinge, die einem irgendwie Angst machen. Über die Jahrzehnte, in denen es die modernen Medien (also nicht nur Zeitungen und Zeitschriften, sondern Funk und Fernsehen und nicht zuletzt das Internet) gibt, wurden sehr viele Stoffe und ihr Risiko für die menschliche Gesundheit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrückt.
Und was ich da oben geschrieben habe, ist ja im Kern auch korrekt. Es gibt Stoffe, mit denen man nicht in Kontakt kommen möchte.
Nur muss ich Euch leider mitteilen, dass Ihr im täglichen Leben andauernd mit diesen und anderen, vergleichbar schlimmen Stoffen in Kontakt kommt. Das lässt sich nicht verhindern. Nicht einmal auf der Alm.
Beim Aufdecken von Umweltskandalen und bei der Darstellung von irgendwelchen Horror-Stoffen werden fast immer nur die schrecklichen Auswirkungen der Stoffe aufgezählt. Das macht Angst. Und die Angst setzt sich fest. Man wird so konditioniert, dass man reflexartig zusammenzuckt, wenn man erfährt, einer dieser Stoffe ist irgendwo drin.
Sicherlich muss auch gewarnt werden, nur wird leider ein sehr wesentlicher Aspekt dabei ausgelassen: die Menge, die Dosis, ab der das Zeug wirklich schlimm ist.
Wie gesagt, wir sind solchen schreckliche Stoffen rund um die Uhr ausgesetzt. Wir atmen sie ein, wir essen und trinken sie und haben engen Kontakt zu ihnen. Das macht aber nix, denn unterhalb einer gewissen Dosis, stecken wir das folgenlos weg. Es ist bei geringen Mengen doch nicht so schädlich.
Wird über solche Stoffe berichtet, wird in der Regel aber nicht auf die Grenzwerte, nämlich die Menge, ab der ein Stoff schädlich ist, hingewiesen. In unseren Köpfen bleibt nur zurück, dass das Zeug schädlich ist… und wir meinen, dass schon ein Molekül davon genügt, dass uns ein zweites Arschloch wächst oder wir elendig verrecken.
Dabei gibt es Grenzwerte, an denen wir uns orientieren könnten, um zu beurteilen, ob wir einem Risiko ausgesetzt sind.
Einer davon ist die MAK, die maximale Arbeitsplatz-Konzentration. Sie legt fest, bis zu welcher Menge ein Stoff unbedenklich ist, wenn er sich als Gas, Nebel oder feiner Feststoff in der Atemluft befindet, die wir bei 8 Stunden täglicher Arbeit und 40 Arbeitsstunden in der Woche einatmen.
Oder es gibt die Richtwerte I und II über die zulässige Belastung der Raumluft durch bestimmte Stoffe. Hier ist die Menge von Stoffen gemeint die man bedenkenlos bzw. relativ bedenkenlos den lieben langen Tag inhalieren kann.
Das schlimme an dieser Konditionierung ist, dass sie jeden betrifft… auch sehr viele Dampfer sind darauf trainiert, zusammenzuzucken, wenn irgendein Stoff im Dampf gefunden oder auch nur vermutet wird. Und der Reflex, der sich dann noch einstellt, ist der, dass krampfhaft versucht wird, den Stoff völlig zu vermeiden. Das geht teilweise sogar so weit, dass Verbote oder mindestens Warnungen gefordert oder, falls es sie gibt, gutgeheißen werden.
Ein gerade wieder öfter zu lesendes Thema ist z.B. Sucralose. Fakt ist, dass sich beim Erhitzen von Sucralose schädliche Stoffe bilden können… KÖNNEN. Je höher die Temperatur, desto größer die Wahrscheinlichkeit und eventuell auch die Menge entstehender Schadstoffe. Kommen noch Fette dazu, steigen Risiko und Menge weiter an.
Angestoßen wurde der „Dampfer-Sucralose-Skandal“ [1][2][3] durch Dampfer-Legenden, die besagten, Liquids, die Sucralose enthalten, würden die Watte im Verdampfer zersetzen. Irgendwer stolperte dann im Zuge dieser Diskussion über eine Stellungnahme des BfR, die aussagte, dass sich da unter bestimmten Bedingungen PCDD (Dibenzo-p-dioxine) und PCDF (Dibenzofurane) bilden kann. Nichts genaues weiß man aber nicht… „Für eine abschließende Risikobewertung fehlen derzeit jedoch Daten.„
Dann schaltete sich Papst Bernhardus M.™ ein und ließ sich zu einem Statement hinreißen, das durchaus falsch interpretiert werden konnte… und dann nahm sich ein (sehr schlechter) YouTuber des Themas an und fabulierte vom „Gift im Liquid“.
Spätestens an so einer Stelle ist dann der Punkt erreicht, an dem eine Geschichte eine panikartige Eigendynamik entwickelt. Da wurde dann gegockelt und man entdeckte, dass das ja wirklich schlimme Stoffe sind, die da entstehen (das „könnten“ war schon vergessen und keiner fragte sich, wie viel da entstehen „könnte“), und man war überzeugt, dass man sich mit sucralosehaltigen Liquids langsam aber nachhaltig umbringt. Hersteller wurden „aufgefordert“ alle Inhaltsstoffe bis ins Detail zu deklarieren („schreibt bitte Eure Rezepte auf die Pulle“), es gab Boykott-Aufrufe und die Verbände wurden aufgefordert, sich mal um diese schreckliche Sache zu kümmern.
Ein Sturm aufgrund von Legenden, unklaren Aussagen des BfR und des Papstes und dem völlig abgehobenen Clickbait-Videos einer bärtigen Jungfrau.
Die beiden Händlerverbände haben dann Studien in Auftrag gegeben… der eine, der mit dem „B“, sehr stümperhaft (ohne genaue Spezifikation der Sucralosemenge in den zu testenden Flüssigkeiten), der andere etwas weniger stümperhaft (hier wurden Vorgaben gemacht… einige realitätsnahe, aber auch ein paar völlig utopische).
Die Ergebnisse wurden bis heute nicht veröffentlicht, aber sie sind trotzdem durchgesickert. Die Ergebnisse des Verbands mit dem „B“ waren für die Tonne. Da wurden Liquidmischungen mit 1% und 7.5% (sic!) getestet. Das ist so viel, das dampft kein Mensch…
Die Ergebnisse des anderen Verbands waren aussagekräftiger. Hier ergaben die Analysen, dass bei Liquidmischungen mit bis zu 0.5% Sucralose keine Schadstoffe bzw. Mengen gerade mal über der qualitativen Nachweisgrenze gefunden wurden. Also bis 0.5% gilt: Entwarnung. Nun muss man nur noch wissen, dass die süßesten, auf dem weltweiten Markt im Handel befindlichen Liquids (so süß, dass ich kotzen müsste) 0.2 bis 0.25% Sucralose enthalten. Das ist die Hälfte der Konzentration, bei der gar nichts gefunden wurde.
Ich weiß, dass da an etlichen anderen Stellen auch geforscht wurde… ohne dramatisches Ergebnis. Ansonsten wäre das nämlich ganz sicher publik geworden und Sucralose schon längst auf der Verbotsliste der TabakerzV.
Aber nüscht is…
Trotzdem… sobald irgendwo in der Online-Szene das Wort Sucralose auftaucht, wird mit den Augen gerollt und Panik verbreitet.
Diacetyl… ein ähnlicher Scheiß. Das ging sogar so weit, dass es in der Verbotsliste landete, obwohl es gar keinen Beweis für eine Schädlichkeit bei den im Liquid vorkommenden Mengen gibt (und obwohl der Tabakrauch wesentlich größere Mengen des Stoffes enthält, was nicht verboten ist und auch kein Fall einen „Popcornlunge“ durch das Rauchen).
Liest man Diacetyl, dann entsteht Panik.
Sehr gerne werden auch von den ANTZ und deren willigen Medien Namen von „Schadstoffen“ im Zusammenhang mit dem Dampfen in den Raum geworfen, wohl wissend, welche Reaktion es bei denjenigen, die über das Dampfen nichts wissen, auslöst… und inzwischen auch schon (die Konditionierung schreitet immer weiter fort) bei etlichen Dampfern.
Ich kann nur ein paar Tipps geben…
Wenn Ihr wieder mal was von bestimmten Stoffen lest, die irgendwie gefunden wurden, dann schaut erstmal, ob Angaben zur Menge/Dosis gemacht werden. Ist das nicht der Fall, kann man die Meldung getrost übergehen. Werden Mengen angegeben, aber nicht relativiert, sollte man sich die (geringe) Mühe machen und mal bei den offiziellen Grenzwerten nachschauen. Die findet man z.B. hier (arch) und hier (arch).
Einfach mal wieder das eigene Hirn einschalten, den gesunden Menschenverstand walten lassen, alles hinterfragen und vor allem sich bewusst machen, dass dauerhaft versucht wird, uns auf den Panikmodus bei bestimmten Stichworten zu konditionieren.
[1] Das dkfz. hätte es nicht besser gekonnt! [2] Viel hilft viel [3] „Sucralose-Skandal“
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