Kürzlich stolperte ich im Dampfer-Fachforum Vapoon über eine Frage zum Selbstmischen, die ich für ausgesprochen interessant halte.
Es wurde gefragt, wie man die einzelnen Aromen beim Mischen mit mehreren Aromen dosiert, ob man sich da an die Dosierungsempfehlungen für die Einzelaromen hält und diese addiert.
Als Beispiel wurde folgende Kombination angebracht: Man möchte ein Liquid mit Erdbeer und Vanillegeschmack herstellen. Die Herstellerempfehlung für das Erdbeeraroma sei nun 5 % und die für das Vanillearoma 7 %. Wäre es korrekt und sinnvoll 5 % Erdbeeraroma + 7 % Vanillearoma, also insgesamt 12 % Aroma in die Base zu mischen?
Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Wenn man mit mehreren einzelnen Aromen mischt, muss man, wenn man nicht enttäuscht werden möchte, das Hirn einschalten und sich ein paar Gedanken machen.
Für das angeführte Beispiel muss man sich erstmal überlegen, was man denn mischen möchte: (A) ein Erdbeer-Vanille-Liquid, ein (B) Vanille-Erdbeer-Liquid oder (C) ein Erdbeervanille-Liquid.
Klingt seltsam, die Frage? Das sind aber tatsächlich drei Liquidsorten, die unterschiedlich schmecken. Das Erdbeer-Vanille-Liquid (A) ist in erster Linie ein Erdbeer-Liquid, das mit Vanille abgerundet wird, Das Vanille-Erdbeer-Liquid (B) ist erstmal ein reines Vanille-Liquid, das mit Erdbeergeschmack verfeinert ist… und das Erdbeervanille-Liquid (C) ist ein Liquid, bei welchen sowohl Erdbeere, als auch Vanille rufen: „Hier bin ich!“
Grundsätzlich sollte man davon ausgehen können (und das darf man auch), dass die Herstellerempfehlungen zur Dosierung von Einzelaromen passen. So würde das in unserem Beispiel bedeuten, dass man mit 5 % Zugabe des Erdbeeraromas ein reines Erdbeer-Liquid bekommt (Reifezeit inklusive), das so nach Erdbeeren schmeckt, wie sich der Hersteller das vorstellt. Die Geschmacksvorstellungen des Herstellers können sich sicher auch von denen des Nutzers unterscheiden, doch das ist ein Faktor, den man nicht voraussehen kann und den nur durch Experimentieren minimieren kann. Gehen wir der Einfachheit halber also davon aus, dass die 5 % passen. Und das soll jetzt auch für ein reines Vanilleliquid gelten, das mit dem Vanillearoma aus dem Beispiel hergestellt wird.
Nun wäre es also für das Liquid (A) sinnvoll, das Erdbeeraroma gemäß der Herstellerempfehlung zu dosieren, also mit 5 %. Das Vanillearoma hingegen sollte deutlich geringer dosiert werden. Nur kann man leider nicht pauschal sagen, wie viel Vanillearoma denn nun wirklich passt. Hier muss man experimentieren, wobei es aber wichtig ist, sein Hirn zu benutzen. Bei jeder neuen Komposition sollte man sich unbedingt skizzieren, welchen Geschmack man nun wirklich erwartet. Aufschreiben! Am besten den gewünschten Geschmack in Worte fassen und zu Papier bringen. Anschließend, wenn man seine konkreten Dosierungsmengen bestimmen will, muss man dann abschätzen, wie stark man die Herstellerempfehlungen reduzieren müsste, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Das hat viel mit Erfahrung zu tun… und mit Ausprobieren.
WARNUNG: Was jetzt folgt, wird nicht jedem gefallen, weil man heute sehr oft „Ready-to-go-Produkte“ erwartet… also, bezogen auf das Selbstmischen, Aromen bzw. Aromamischungen, bei denen drauf steht, wie viel Aroma in wie viel Base muss, damit man den „perfekten“ Geschmack bekommt. Na ja… das ist aber, wenn man ehrlich ist, der Anzug von der Stange. Wenn man einen wirklich perfekten Anzug haben möchte, muss man zu einem Schneider gehen oder selbst die Schneiderei erlernen. Man kann sich eine Packung Miracoli nehmen und Nudeln mit Tomatensauce zubereiten oder man kocht es aus den einzelnen Komponenten selbst. Man kann eine Erdbeer-Vanille-Aromamischung kaufen und nach Herstellerangaben zur Base geben oder man wird zum „Liquid-Designer“, besorgt sich die einzelnen Komponenten und mischt sein Liquid selbst. In jedem Fall wird man ums Ausprobieren nicht herumkommen.
Trial and error! Das kostet beim Liquid-Design Zeit (nicht nur für das Überlegen, das Dokumentieren – dazu komm ich auch noch – und das eigentliche Zusammenkippen, sondern vor allem auch für die „Reifung“) und Geld (das kann man aber durch Komponenten, die nicht aus dem Fachhandel fürs Dampfen stammen, dämpfen).
Schnell mal das (für einen selbst) perfekte Erdbeer-Vanille-Liquid ohne Rezept im Vorbeigehen mischen… GEHT NICHT! Und das wird nun nicht jedem gefallen… ist aber Realität (mal von Zufallstreffern abgesehen).
Wenn man nun also „unser“ perfektes Erdbeer-Vanille-Liquid kreieren möchte, ist es absolut sinnvoll, sich aus den einzelnen Aromen erst einmal ein reines Erdbeer-Liquid und ein reines Vanille-Liquid anzumischen (nicht zu viel… ich empfehle zehn Milliliter). Das Erdbeerliquid nach den Herstellerangaben und das Vanille-Liquid (Vanille soll ja nur das fertige Liquid abrunden) mit weniger Zugabe. Ich würde hier mit der halben Dosierung, also 3,5 % beginnen. WICHTIG: Aufschreiben!
Dokumentation
Wenn man ernsthaft selbst Mischen möchte, ist es sehr, sehr wichtig, sich alles zu notieren, was und wie man gemischt hat. Damit stellt man die Reproduzierbarkeit sicher. Es empfiehlt sich eine Kladde anzulegen. Hier notiert man dann, WELCHE Zutaten man WANN in WELCHER Menge vermischt hat. Nach Ablauf der Reifezeit (sehr wichtig, dem Liquid wirklich Zeit zu geben) verkostet man dann die Ansätze und notiert sich in der Kladde, WANN man es probiert hat und mit ein paar Stichpunkten, wie es geschmeckt hat und ob es den Erwartungen entsprochen hat.
Um Liquids auf den Geschmack zu prüfen, bieten sich auch heute noch Tröpfelverdampfer an. Beim Probieren verbraucht man nur eine sehr kleine Menge Liquid, was für das Weiterverwenden des Probeliquids von Vorteil ist.
Angenommen, das Vanille-Liquid schmeckt noch immer zu intensiv nach Vanille. In diesem Fall müsste man den Aromenanteil verringern. Um wie viel kann man versuchen abzuschätzen, indem man das Probeliquid mit einem reinen Vanilleliquid vergleicht. Oder man versucht sich heranzutasten. Ist der Vanillegeschmack zu intensiv, würde ich empfehlen die (fast noch… was da fehlt kann man vernachlässigen) 10 Milliliter zunächst mit 5 ml unaromatisierten Liquid zu verdünnen. Das ergäbe dann eine Aromakonzentration von ungefähr 2,6 %. Nun wieder reifen lassen und erneut kosten. Noch zu stark? Dann nochmal 5 ml neutrales Liquid zugeben, reifen lassen und das Liquid mit nunmehr ca. 1,75 % Vanillearoma erneut testen. So kann man sich an die optimale Konzentration herantasten. Und, wie gesagt, IMMER dokumentieren.
Ist die optimale Mischung gefunden, ist es an der Zeit, sich auf die Erdbeere zu stürzen. Am besten, man verwendet nur einen Teil des passenden, „dünnen“ Vanilleliquids. Zu diesem Teil gibt man nun den Anteil Erdbeeraroma, den man für ein reines Erdbeerliquid als passend empfand… reifen lassen… und kosten.
Bei einer solch einfachen Kombi, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es jetzt schon passt.
Es kann allerdings erforderlich sein, den Anteil an Erdbeer-Aroma auch etwas zu verringern. Es gibt nämlich etwas, das ich als Aromen-Reizüberflutung bezeichne. Ist der Gesamtanteil an Aromen in einem Liquid zu hoch, kann es sein, dass das Liquid nicht schmeckt. Ich persönlich habe das immer als „seifig“ beschrieben… aber das ist mein persönliches Empfinden.
Den Effekt der Aromen-Reizüberflutung sollte man übrigens auch bei Liquid (C) im Hinterkopf behalten. Schmeckt es nicht gut, wenn man die Dosierungsempfehlungen einfach für beide Komponenten einhält, dann ist es sinnvoll, das Liquid mit der halben Menge neutralen Liquids zu verdünnen.. usw. usf.
Bei allen Betrachtungen ist die Einhaltung der Reifezeit und ordentliches Durchmischen essenziell. Erst nach entsprechender „Reife“, kann man verlässlich und dauerhaft den Geschmack einschätzen.
Das alles klingt sehr umständlich, aufwendig und zeitintensiv… und das stimmt zum Teil auch. Es geht hier aber auch nicht um das schnelle Zusammenrühren eines Shake-and-Vape, sondern darum, ein Liquid aus einzelnen Aromakomponenten zu kreieren.
*** Update 05.02.2023 ***
Aus einem Leser-Kommentar
Sehr lesenswert ist der Kommentar von Dampfen18 unter diesem Artikel!
Dort wird eine alternative Methode für das Kreieren des perfekten Liquids erwähnt, die ich hier zusätzlich im Artikel erwähnen möchte:
“ Bei deinem Beispiel wäre ich jetzt so vorgegangen. 10 ml Erdbeere mit 5 % und 10 ml Vanille 5 % anzumischen.
Um dann zu entscheiden, will ich Erdbeere mit einem Hauch Vanille oder Erdbeere mit einem guten Schuss Vanille.
Dann hätte ich 5 ml Erdbeere aus der Flasche genommen und 2 ml Vanille, dann 2 Tage stehen lassen. Denn Vanille braucht ein bisschen Zeit um dann zu probieren.
Wenn dann die Anteile immer noch nicht passen, es noch nicht schmeckt. Erdbeere dazu oder Vanille mehr.“
Das erscheint mir noch einfacher… vielen Dank dafür!
Bei mehr als zwei Aromen wird es natürlich noch aufwendiger… aber es lohnt sich.
Der Zeit-, Denk- und Arbeitsaufwand ist aber auch nur ein Mal erforderlich. Hat man „sein“ perfektes Liquid auf diese Weise gefunden, dann hat man ein Rezept (Kladde!) und das Mischen dauert nicht länger als auf andere Weise.
Es ist auch nicht verkehrt, sich mit dieser Art des Mischens etwas zu befassen. Es ist nämlich durchaus möglich, dass beliebte Aromamischungen für das Dampfen durch die Steuer vom Markt verschwinden. Da ist es gut, wenn man sich mit dem Selbstmischen unter Verwendung allgemeiner Lebensmittelaromen beschäftigt. Vielleicht sollte man sich auch einmal die Zeit nehmen, seine Lieblingsmischung geschmacklich zu analysieren. Interessant dabei ist, welche Geschmacksbestandteile den Reiz ausmachen. Wenn man dann ein eigenes Liquid kreieren möchte, kann man sich daran erinnern (nachlesen, weil aufgeschrieben) und findet so sogar sein selbstkreiertes Allday. Exaktes Nachmischen? Ist eine Legende! Das bekommt man so gut wie nie hin… höchstens halbwegs annähernd. Da ist es oft besser, man schafft etwas eigenes.
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